Heurigenpassion
sagen. Jetzt kam aber das Interessante daran. Angeblich sollte sich diese Filiale in Döbling befinden, also irgendwo ganz in der Nähe. Und Franz Ferdinand hatte schon früh eine Eigenschaft zur Perfektion entwickelt. Er war irrsinnig geldgierig. Vielleicht konnte man da ansetzen.
* * *
Wallner hatte eben den aktuellen Bericht seines für Marinov zuständigen Mitarbeiters entgegengenommen und Palinski informiert.
»Seine Versuche, Geld aufzutreiben, scheinen bisher erfolglos verlaufen zu sein«, vermutete der Inspektor. »Jetzt ist er bei sich zu Hause. Ich denke, wir sollten jetzt unsere vornehme Zurückhaltung aufgeben und ihn für eine fingierte Geldübergabe vorbereiten. Sonst gerät die ganze Angelegenheit noch völlig außer Kontrolle .«
Palinski überlegte. Helmut hatte natürlich völlig recht . Er blickte auf die Uhr. 13.45, noch 75 Minuten bis die Banken schlossen. Auf diese 1 1/4 Stunden kam es wohl auch nicht mehr an. »Lassen wir ihm bis 15 Uhr Zeit, vielleicht hat er noch ein Ass im Ärmel«, schlug er vor. »In der kurzen Zeit kann eigentlich nicht viel schief gehen und er hat vielleicht noch eine Chance .«
Das war jetzt bereits die fünfte eklatante Fehleinschätzung, die Palinski in diesem Fall passierte . Langsam ein bisschen happig, Herr Palinski, finden Sie nicht auch?
Wallners Instinkt sagte nein, doch seine Gutmütigkeit behielt die Oberhand und er stimmte zu. »Gut, 15 Uhr, aber keine Minute länger.«
Palinskis Handy meldete sich. Es war ›Miki‹ Schneckenburger, der um eine dringende Information für seinen Minister ersuchte.
» Der Alte macht mich ganz verrückt. Zuerst hat er selbst eine halbe Stunde im Lexikon nach dem »Kiefer-Paradoxon« gesucht und nichts gefunden. Seither nervt er mich unentwegt damit und will wissen, was es damit auf sich hat .« Der Ministerialrat holte Luft. »Er hat mir ausdrücklich verboten, dich zu fragen, geniert sich wohl, dass er das nicht weiß. Du verrätst mich doch nicht ?«
»Natürlich nicht«, beruhigte Palinski den aufgeregten Freund. »Erstens heißt das nicht »Kiefer-«, sondern »Giffen-Paradoxon«, er buchstabierte den Namen. »Und zweitens geht es um eine Anomalie im Verbrauchsverhalten der einkommensschwächsten Bevölkerung, die dieser Giffen beobachtet und beschrieben hat. Er hat festgestellt, dass auch der Absatz an Brot steigt, wenn der Brotpreis steigt .«
»Na und«, Schneckenburger war sichtlich kein Nationalökomom.
»Also eigentlich sinkt die Nachfrage nach einer Ware, wenn ihr Preis steigt«, erklärte Palinski.
»Hmmm, das klingt logisch«, meinte der Ministerialrat, »und warum ist das bei Brot anders ?«
»Weil die Leute nach einer Brotpreiserhöhung kein Geld mehr für andere Güter haben und mehr Brot kaufen müssen, um sich zu ernähren .«
»Aha, und das hat dieser Gissen erfunden ?«
»Er hat es nicht erfunden, sondern beobachtet und beschrieben .« Geduldig wie mit einem lernschwachen Kind versuchte Palinski den Freund mit den Feinheiten vertraut zu machen. »Und zweitens heißt der Mann Gissen und nicht Giffen. Blödsinn, du machst mich schon ganz verrückt. Der Mann heißt Giffen. Giffen mit zwei f wie Friedrich.«
»Also Giffen und Brotpreis, gut. Und wo kann ich etwas darüber nachlesen ?«
»Im Internet natürlich, da habe ich mir das selbst gestern herausgesucht .«
»Danke, also Brotpreis, Kiffen und Internet. Ich danke dir und nichts ...« Doch Palinski hatte das Gespräch schon beendet. Was zuviel war, war zuviel.
9
Nach dem fünften Anruf war Marinov erfolgreich gewesen. Der gute Franz Ferdinand war tatsächlich stellvertretender Leiter der Filiale der »Kredit Bank Österreich AG« in der Döblinger Hauptstraße. Es war jetzt kurz vor 14.00 Uhr und wenn er sich beeilte, konnte er in fünfzehn Minuten da sein. Er sprang schnell unter die Dusche, zog ein frisches Hemd an und war auch schon wieder unterwegs.
Nach der Sonne der letzten Tage hatte sich der Himmel zu Mittag wieder bedeckt. Ja, es begann sogar, leicht zu schneien. Eigenartigerweise stimmte der Wetterumschwung Marinov fröhlich und optimistisch. Die Absagen der letzten Stunden hatte er alle bei strahlender Sonne erhalten. Also konnte Schneefall für seine Ziele eigentlich nur Gutes bedeuten.
Um exakt 14.31 Uhr betrat er die relativ große Filiale und blickte sich nach dem ehemaligen Schulkollegen um.
»Guten Tag, Kann ich Ihnen behilflich sein ?« , wollte eine adrette junge Frau wissen, die das Namensschild
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