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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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meinem Kopf Bebé, die neue blonde Perücke, die schon nach einer Woche Sixties-mäßig herunterhängt.
    Ich reagiere mit einem knappen Lächeln.
    »Das ist Louis, er schreibt die Agenda und ein paar andere Sachen, die Rubrik ›Die Umkleidekabine‹ zum Beispiel. Wie du siehst, sind wir hier alle ganz locker drauf«, sagt Dreadlocks. Er trägt ein Hawaii-Hemd und ist barfuß. Louis hat ein Beachballset in der Hand. Ich stelle mich vor und versuche, nicht das Mädchen, das Krebs hat, in den Vordergrund zu stellen, sondern das Mädchen, das schreibt, was nicht so einfach ist mit nur einem Tagebuch, einer ungewissen Prognose und erst einer einzigen Veröffentlichung, die noch nicht mal gedruckt ist. Aber immerhin im
NRC Handelsblad
.
    »Danke für das Vertrauen, ich freu mich. Nächste Woche hast du meinen ersten Artikel.«
    »Ich bin gespannt.«

[home]
    Montag, 28. November 2005
    Die Frau, die mir gegenübersitzt, ist ganz Ohr. Ab und zu unterbricht sie mich, wenn ich mich zu kompliziert ausdrücke. In der Buchhandlung Scheltema habe ich auf ihre Empfehlung zwei Bücher gekauft: Wieder gesund werden und Auf dem Wege der Besserung , beide von O. Carl Simonton . Speziell für Krebspatienten, die noch nicht sterben wollen. Ich gebe die Empfehlung hiermit weiter. Und bitte fett und kursiv , Herr Drucker.
    Noch sechs Tage bleiben mir, um meine Krebszellen wegzuvisualisieren. So fühlt es sich an.
    Ich habe mein Handy ausgeschaltet. Und auch meine Termine abgesagt. Nur nicht die von heute und morgen; meine Therapeutin brauche ich im Moment dringend. Erst sieht man sie nie, dann sieht man sie täglich.
    Sie lässt mich meine Angst mit geschlossenen Augen visualisieren und dann zeichnen. In Blau und Grün zeichne ich eine Wolke, mit einer anderen Wolke darüber, die ich mit aller Kraft wegzuschieben versuche; sie überlistet mich aber und verschmilzt mit der ersten Wolke.
    Dann werde ich wieder aufgefordert, die Augen zu schließen und mir meine Zeichnung zu vergegenwärtigen. »Was passiert?«
    »Ich hänge sie auf, gerahmt, über meinem Bett.«
    »Und?«
    »Ich gehe zu ihr, nehme sie vom Nagel und lege mich wieder ins Bett. Das Bild drücke ich wie ein Kuscheltier an mich.«
    »Was meinst du, was das bedeutet?«
    »Vielleicht will ich meine Angst nicht mehr wegschieben?«
    »Sophie, in dir stecken mehrere Sophies: eine fröhliche Sophie, eine starke Sophie, aber auch eine ängstliche und eine unsichere Sophie. Die musst du erst einmal akzeptieren.«
    Aufräumen und Saubermachen heißen die Zauberwörter, die ich mir bei meiner Therapeutin auf der Couch zu eigen mache.

[home]
    Dienstag, 29. November 2005
    Ich will Rob abhaken. In meinem Handy suche ich nach alten Verehrern. Alles, um nicht allein auf dem Sofa sitzen zu müssen. Plötzlich wird mir klar, wie schlecht ich mit Unsicherheit umgehen kann. Nur das Heute und das Gestern, kein Morgen. Keine Sicherheit einer Zukunft. Keine Träume. Und auch keine Sicherheit mehr bei meinem Liebsten. Ob er gerade mit ihr schläft? Blödmann. Ersticken soll er dabei.
    Auf dem Weg zum Briefkasten komme ich an der Kneipe in der Haarlemmerstraat vorbei, in die Rob oft geht. Hinter der Scheibe sehe ich ihn sitzen, neben ihm ein Mädchen mit ellenlangen Beinen. Sie lachen. Ich schaue, schlucke, verstecke mich hinter Bebé und gehe weiter.

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    Mittwoch, 30. November 2005
    Auf demselben Stuhl wie an dem Tag, als ich hörte, dass es schlecht um mich steht, sitze ich jetzt wieder und zittere. Neben mir Jur. Ich habe ihn gebeten, heute mitzukommen, weil er der Einzige ist, der mir in die Augen schauen und mich davon überzeugen kann, dass alles möglich ist. Auch wenn es nicht so scheint.
    Mir gegenüber sitzt Doktor L.
    Er lächelt. »Was hast du denn jetzt wieder auf dem Kopf – schön, die langen Haare.«
    Die Hoffnung in mir steigt, die Angst in mir sinkt. Ich nicke, zupfe nervös an Bebés Haaren. Ich habe mich geschminkt und meine schönste Seidenbluse angezogen, in der Absicht, meine Hoffnung zur Überzeugung werden zu lassen.
    »Also, Sophie, ich habe gute Neuigkeiten für dich.«
    Mein Knie wippt vor Begeisterung auf und ab und sucht Jurs Knie. Auch sein Knie hüpft. Ich sehe Stolz und Freude in den Augen meines Arztes. Am liebsten würde ich ihm um den Hals fallen. Unzählige Male habe ich mir diesen Moment in leuchtenden Farben ausgemalt. Doch ich zerdrücke nur eine Träne und gebe ihm einen Kuss auf die Wange.
    »Die Aufnahmen sehen gut aus. Es ist nichts mehr zu sehen,

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