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Heute bin ich blond

Heute bin ich blond

Titel: Heute bin ich blond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie van der Stap
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du bist röntgenologisch frei.«
    »Wie frei?«
    »Tja, eine Ungewissheit bleibt immer. Es sind keine Anomalien mehr zu sehen, aber wir können dir keine Garantie geben, dass du jetzt ganz frei bist. Die Zeit wird es zeigen.«
    Jur zerbricht meine Fragezeichen mit einem dicken Kuss und einer langen, sanften Umarmung. »Dummes Geschwätz«, sagt er, als wir hinausgehen. »Du bist frei, was soll da der Quatsch von wegen ›Die Zeit wird es zeigen‹?«
    Gut, dass Jur da ist. Er muss es wissen.
    Plötzlich bin ich nicht nur in diesen besonderen Jungen verliebt, der da vor mit steht, ich bin auch total verliebt in Annabel und Jan und Jochem und tatsächlich auch in Rob. In meine Nachbarin. In meine Familie. Ich kann gar nicht genug von ihnen kriegen. Frei, frei, frei. Drei Orgasmen auf einmal. Und das ganz allein. Ohne Doktor K. und auch ohne Rob. Diese Aufregung!
    Nach drei Gläsern Wein und einer Tapa gehe ich über die Marnixstraat zur Westerstraat zur Prinsengracht zu Annabel. Sie erwartet mich, mit weit ausgebreiteten Armen. Ich kann es kaum glauben. Bin ich wirklich frei? War’s das? Gehöre ich wieder dazu? Ein einziges Wort, und mein Leben hat sich um hundertachtzig Grad gedreht.
    Heute habe ich das Morgen zurückbekommen.
     
    »Oma?«
    »Ja?«
    »Bist du ein bisschen weniger traurig, wenn ich dir sage, dass ich mir’s unheimlich gutgehen lasse? Eigentlich ununterbrochen?«
    Ich höre Oma leise schluchzen.

[home]
    Donnerstag, 1. Dezember 2005
    Um Mitternacht komme ich in die Sugar Factory, einen kleinen Club gegenüber dem Melkweg. Ich gehe aus, diesmal um alles zu erleben, statt alles zu vergessen. Mein Herz klopft zwar noch genauso wie gestern bei Doktor L., aber trotzdem habe ich es geschafft, mir meine langen, falschen Wimpern anzukleben und den Kajalstift exakt an meinen Lidern entlangzuführen. Ich trage hohe Stiefel, lange blonde Haare und einen sexy Kaftan, der mir bis knapp unter den Po reicht. Floor trägt Jeans, eine enge Jacke und lange blonde Locken, aber echte. Jur trägt ein grünes T-Shirt, große schwarze Nikes und weite Jeans. Wir trinken Rotwein, wie gestern und morgen und übermorgen.
    Aber Jur schaut nicht. Jedenfalls nicht auf meine Hüften. Er redet, hört zu, ruft Leute an, hebt ab, wenn es sein muss, und erzählt von seiner Ex, seiner Freundin und jetzigen Bettgenossin.
    Und ich? Ich sehe ihn an und denke an meine Hüften und seine Hüften. Meine Lippen und seine Lippen. Meine Beine um seine Beine und meine Eier neben seinen Eiern in der Samstagmittags-Bratpfanne. Ich stelle mir vor, wir würden das Jahr nach meiner Chemo zusammen an weißen Stränden und in fremden Städten verbringen, vor allem unter seinen und meinen Laken. Ich überlege sogar, ihn das nächste Mal zu Otto und Bebé nach Spanien mitzunehmen.
    In der Damentoilette trage ich noch mal rosa Lipgloss auf. Ich zupfe meine blonden Haare zurecht und öffne noch einen Knopf. Aber er schaut nicht. Er ist in sein viel zu aktives Liebesleben vertieft und scheint nicht zu merken, dass ich auch bei ihm Schlange stehe. »Jur?«
    »Ja?«
    »Ich hab dir doch mal gesagt, dass du für mich was ganz Besonderes bist.«
    Jur schaut etwas zweifelnd drein. »Ja?«
    »Eigentlich bin ich schon seit Tag eins in dich verliebt. Nicht ununterbrochen, ich sehe dich ja nicht so oft, wie ich’s gern hätte, aber irgendwie bist du immer da.«
    »Oh. Ein offenes Wort.«
    Tolle Reaktion. »Und?« Ich klimpere ein bisschen mit meinen XXL -Wimpern.
    »Du weißt, dass ich eine Freundin habe, Sophie. Ich schau nicht nach anderen Frauen.«
    »Seit ich dich kenne, warst du schon zweimal ohne Freundin.«
    »Und?«
    »Und?«
    »Sophie, du bist ein schönes Mädchen, und ich finde auch, da ist was Besonderes zwischen uns, aber für mich sind wir nur Freunde.«
    »Ah. Trotzdem bin ich froh, dass ich’s gesagt hab, das lag mir schon lange quer.«
    »Komm mal her.« Jur nimmt mich in die Arme und gibt mir einen dicken Kuss.
    Schön, so ein Appetithäppchen.

[home]
    Freitag, 2. Dezember 2005
    Na toll. Das XTC von vorgestern ist noch in meinem Körper. Ich kann nicht schlafen, obwohl ich meinen Kaffee stehenlasse. Hellwach und mit großen Augen liege ich im Bett.
    Also wieder raus. In den Club NL .
    Tante Kristien lässt Mann und Kinder zu Hause und feiert heute mit. Auch Rob ist auf der Piste; als wir uns sehen, geben wir uns einen langen Kuss. Ich weiß, dass ich auf jeden Fall mit ihm befreundet bleiben will, und gebe mir alle Mühe, nicht an Lange Beine

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