Heute Nacht brauche ich Liebe
antworten. Statt dessen setzte sie sich an den Schreibtisch vor das Mikrofon und funkte mehrere Stationen an. Was sie, zu hören bekam, war wenig ermutigend. Der Wind hatte schlimmen Schaden angerichtet, doch es wurde auch von überaus starken Schneefällen berichtet. Es sah ganz so aus, als würden sie nicht nur diese Nacht festsitzen.
Nachdem sie die Kopfhörer abgesetzt hatte, blieb sie noch einen Moment sitzen, trank einen Schluck Kaffee und versuchte, sich zu erinnern, ob sie irgend etwas vergessen hatte. Dank Carstone Industries war Adinorack besser für solch ein Unwetter gerüstet als die meisten anderen Siedlungen seiner Größe. Und dank ihres Notprogramms waren sie auf alles vorbereitet. Jetzt blieb nichts anders übrig, als zu warten. Wie sie das hasste.
„Das ist mein Kaffee”, riss Red Joan aus ihren Gedanken.
Beim Klang seiner Stimme zuckte sie zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass er neben ihr stand, so dicht, dass sie seine Schenkel berühren könnte, ohne die Hand zu heben. Heftig setzte sie, ihre Kaffeetasse ab. „Such dir etwas zu tun."
„Das tue ich doch."
„Du stehst mir im Weg.”
„Wie in Maudies Lagerraum?" stellte er amüsiert fest.
Seine Worte trafen sie wie ein Schlag. Wie konnte er darüber nur Witze machen? Vor Schmerz war sie sprachlos.
Sie sprang auf, doch Red hielt sie an den Schultern fest. „Wir sind hier ganz allein und haben nichts zu tun, Baby. Uns wird doch etwas einfallen, die Zeit totzuschlagen", bemerkte er ungerührt.
Offenbar hatte er ihre Erregung überhaupt nicht wahrgenommen und dachte nur an sein Vergnügen. Blind vor Wut holte Joan aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Doch Red wehrte ihren Schlag ab.
„Warum musstest du das sagen?” fragte sie verzweifelt. „Du kannst es einfach nicht auf sich beruhen lassen."
„Da hast du verdammt recht”, entgegnete er erbost. „Ich bin eben auch nur ein Mensch. Aber davon weißt du natürlich nichts.” Red wusste nicht, wie es passiert war, aber plötzlich war sie da, die Wut, die sich zwischen ihnen wie ein Feuersturm ausbreitete. Beide waren sie enttäuscht und verletzt, was sich in hasserfüllten Worten entlud. Dabei war ihnen jedes Mittel recht, wenn es nur den anderen kränkte. Er war nicht hierher gekommen, um einen Streit vom Zaun zu brechen, doch er hätte wissen müssen, dass es unweigerlich darauf hinauslief. Und es tat ihm nicht leid. Verdammt, es tat ihm nicht leid.
Joan zwang sich zu einem kurzen Lachen. „Das ist es also! Du fühlst dich ausgenutzt, missbraucht, vernachlässigt. Du wirst damit nicht fertig, wenn eine Frau mit dir schläft und sich dabei nicht unsterblich in dich verliebt. Darum geht es im Grunde doch. Das muss eine aufschlussreiche Erfahrung für dich sein. Es ist doch etwas anderes, wann man selbst derjenige ist, der vergessen wird, kaum dass man die Hose hochgezogen hat.”
Er packte sie fest bei den Schultern, so dass sie ihm direkt gegenüberstand und seinem Blick nicht ausweichen konnte. „Wovon in aller Welt sprichst du?” stieß er erregt hervor. „Ich habe dich nie so behandelt.”
„Dass ich nicht lache!” schrie sie auf. „Genau das hast du jedes Mal getan, wenn du aufgestanden bist, um zu deinem verdammten Flugzeug zu gehen.”
Diesen Vorwurf hatte Red nicht erwartet. Er traf ihn völlig unvorbereitet. Betroffen schwieg er. Hatte Joan nicht recht? War es nicht immer so gewesen? Natürlich hatte sie recht, erkannte er nach längerem Überlegen. Und das machte ihn nur noch wütender.
Allein ihr Anblick ließ ihn schier verzweifeln. Ihre Augen glänzten und ihr Gesicht war gerötet, unter seinen Händen spürte er ihre angespannten Muskeln. Am liebsten hätte er sie jetzt geschüttelt – und dann geküsst, bis sie wie Wachs in seinen Armen schmolz. Es war die einzig angemessene Reaktion, die ihm in seiner Verzweiflung einfiel: Sie zu liebkosen, wie nur er es vermochte; sie zu Boden zu reißen und ihr zu beweisen, dass es einmal ganz anders gewesen war. Er konnte es sich so lebhaft vorstellen, dass er deutlich das Verlangen in sich erwachen spürte. Und dafür hasste er sich selbst.
Abrupt ließ er ihre Arme los und drehte sich um. „Wir sind verrückt", stieß er hervor. Alle beide."
Joan musste sich an den Schreibtisch lehnen, so sehr zitterten ihr die Knie. Sie fühlte sich völlig ausgebrannt, jede Nervenzelle, jeder Muskel schmerzte. Ihre eigenen hasserfüllten Worte hallten in ihrem Kopf wider. Wir zerstören einander, dachte sie. Wir
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