Heute Nacht brauche ich Liebe
Schnee. „Wenn wir das Loch abdecken, die Fenster verbarrikadieren und die Heizung in Gang bringen, könnten wir es vielleicht aushalten, bis sich der Sturm gelegt hat. Wie schätzt du unsere Chancen ein?”
Joan schüttelte den Kopf. „Ich kann es nicht riskieren, die Heizung einzuschalten. Zu viele Leitungen sind gerissen. Man müsste versuchen, die Stellen ausfindig zu machen und sie wieder zusammenzuflicken. Doch bis dahin...”
„Ist es zu spät." Red seufzte. „Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als die Leute zum Firmengebäude zu bringen.”
Joan wusste nur zu gut, wie gefährlich das bei einem solchen Unwetter war. Selbst sie und Red, die sich in bester Verfassung befanden, hatten es nur mit großer Anstrengung geschafft, die Straße zu überqueren. „Wie viele sind überhaupt in der Lage allein zu gehen?” erkundigte sie sich. „Vielleicht die, Hälfte. Doch von denen haben, vielleicht nur zwei oder drei die Kraft, sich am Seil festzuhalten.”
„Okay”, entgegnete Joan nach einem Moment des Nachdenkens.
„Versuch mit Gilly oder sonst jemandem, eine Trage zu bauen. Wenn wir sie an zwei Seilen befestigen wie eine Hängematte und auf der anderen Straßenseite ein Flaschenzuggewinde aufstellen, können wir sie vielleicht hinüberziehen. Ich gehe hinaus und spanne inzwischen das zweite Seil.”
„Kommt nicht in Frage!" Red hielt sie energisch am Arm fest. „Ich werde das Seil spannen.”
Ungeduldig riss sie sich von ihm los. „Du weißt ja gar nicht, was ich vorhabe.
„Darling”, entgegnete er gefährlich ruhig, „ich habe zwar nicht studiert, aber ich kann trotzdem einen Flaschenzug aufbauen, ohne dabei meinen Verstand zu überanstrengen. Davon abgesehen wiege ich sechzig Pfund mehr als du, deshalb gehe ich. Der Wind würde dich umwerfen, noch ehe du die Tür hinter dir geschlossen hast.”
Natürlich wusste sie, wie gefährlich, es war, sich hinaus in den Sturm zu begeben, und sie hatte Angst, Red könnte etwas zustoßen. Deshalb wollte sie lieber selbst gehen. Allein - seinen Argumenten hatte sie nichts entgegenzusetzen. „Wir gehen zusammen”, entschied sie kurzerhand.
„Joan!” protestierte er.
„Keine Widerrede, Red.” Sie zog ihre Handschuhe an. „Wir überqueren die Straße im Team. Das ist die einzig sichere Verhaltensweise in so einem Sturm. Das würde ich auch jedem meiner Männer sagen. Keine weiteren Diskussionen.”
„Joan.” Er packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich um.
Joan wollte ihn schon zurechtweisen, aber als sie sein Gesicht sah, erstarben ihr die Worte auf den Lippen. Auf einmal wurde ihr bewusst, wie schön es war und wie viel es ihr bedeutete. Seine leicht geschwungenen Lippen, die hohen Wangenknochen, die braunen Locken, die ihm ständig in die Stirn fielen, die haselnussbraunen Augen, die so zärtlich und verständnisvoll dreinblicken konnten - ein Gesicht, das in ihren Gedanken ständig gegenwärtig war.
Ganz unerwartet legte er plötzlich die Hände auf ihre Wangen und beugte sich hinab, um sie zu küssen. Es war ein sanfter Kuss, ein süßes Zusammenfließen von Wärme und Zärtlichkeit. Und Joan ging völlig darin auf. Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn innigst. Da wurde ihr schlagartig bewusst, warum sie ihn geliebt, warum sie ihn geheiratet hatte: wegen Augenblicken wie diesen, Augenblicken, in denen alle trennenden Schranken fielen.
Erst nach einiger Zeit lösten sie sich voneinander, um sich für ihre bevorstehende Aufgabe zu rüsten.
7. KAPITEL
Joan und Red mussten sich durch den beißenden Wind und den Schnee kämpfen. Als sie das Gebäude endlich erreichten, waren sie völlig erschöpft.
Lewis, der sich wieder erholt hatte, berichtete ihnen, dass er keine Funkverbindung habe herstellen können.
Nach einer kurzen Verschnaufpause bauten sie mit seiner Hilfe die Seilwinde und den Flaschenzug auf. Trotz der widrigen Umstände schafften sie es in weniger als einer Stunde. Jetzt konnten sie mit der Bergung der Verletzten beginnen. Joan fand in ihrer Notausrüstung noch ein paar Transportgurte und Karabinerhaken. Sie zerschnitten die Gurte, zogen sie durch die Haken und banden sie sich um die Taille. Um sicher über die Straße zu kommen, klickten sie die Karabinerhaken an den beiden Seilen ein.
Auf die gleiche Weise wollten sie diejenigen der Verletzten, die in der Lage waren, zu laufen, auf die andere Straßenseite bringen. Der Schnee lag an manchen Stellen bereits so hoch, dass sie bis zu den Knien
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