Heute schon geträumt
zurecht, doch dann platzt es einfach aus mir heraus. »Es tut mir leid.«
»Es tut mir leid.«
Wie aus einem Munde - mit einer Mischung aus Erleichterung und Verlegenheit brechen wir in Gelächter aus.
»Soll ich eine Münze werfen, wer sich als Erster entschuldigen darf?«, fragt er und hebt eine Braue.
»Was ich gesagt habe, war nicht so gemeint -«, beginne ich.
»Ich hab’s auch nicht so gemeint«, unterbricht er mich. »Wie wär’s, wenn wir einfach Waffenstillstand verkünden? Und noch mal von vorn anfangen?«
Ich lächle und sehe einen winzigen Hoffnungsschimmer hinter der düsteren Wolke unseres Streits hervorblitzen.
»Ziemlicher Stapel, was?«, meint er mit einer Geste auf die Karten.
»Oh. Ja.« Ich blicke auf die Karte in meiner Hand und reiße den Umschlag auf.
Aber es ist gar keine Karte. Sondern ein Strafzettel. Gott, ist das zu fassen? Diese verdammten Mistdinger holen einen sogar noch im Krankenhaus ein. Ich lese den Text. Und bemerke, dass das Papier ziemlich alt und vergilbt aussieht. Wie merkwürdig - ich lese weiter.
Mein Magen trudelt ins Leere.
Für den Bruchteil einer Sekunde blicke ich völlig verblüfft auf die Buchstaben, ehe ich mich aus meiner Erstarrung löse. Es ist also doch passiert. Es war kein Traum. Das ist der Strafzettel, den ich bekommen habe, als ich das erste Mal zu Lottie gefahren bin. Ich habe ihn weggeworfen, aber die Stadtverwaltung hat ihn später zugestellt. Die lassen einen nicht davonkommen, nicht mal, wenn es zehn Jahre her ist. Ich spüre, wie sich mein Gesicht zu einem breiten Grinsen verzieht.
Ich hebe den Kopf und sehe Oliver vor mir, der mich erstaunt mustert.
»Oh, nichts«, sage ich schnell und bemühe mich, mir meine Freude nicht anmerken zu lassen. »Nur ein Strafzettel.«
»Mann, ich hab noch nie jemanden gesehen, der sich so über einen Strafzettel freut«, erklärt er grinsend.
Ich lache, während sich meine Gedanken überschlagen. Erst jetzt fällt mir auf, dass Oliver noch immer im Türrahmen steht.
»Willst du nicht reinkommen und mir eine Weile Gesellschaft leisten?«, frage ich schüchtern. »Natürlich musst du nicht, wenn du nicht willst«, füge ich hastig hinzu, als mir dämmert, dass er bestimmt nur aus Höflichkeit vorbeigesehen hat. »Bestimmt musst du wieder in den Pub zurück.«
Oh Gott, wenn er jetzt sagt, dass er wieder gehen muss, weiß ich nicht, was ich tue.
»Ich glaube, ich nehme mir heute Abend frei«, erwidert er. »Wir können doch die Patientin nicht so allein lassen, oder?« Lächelnd setzt er sich auf den Plastikstuhl neben meinem Bett.
»Kannst du das so einfach machen?«, frage ich erstaunt und mit einem Anflug von Freude. »Ich will nicht, dass du Ärger mit deinem Boss bekommst oder so.«
»Tja, da ich selbst der Boss bin, ist das wohl kein Problem.«
»Der Boss?«, wiederhole ich verdattert.
»Ja, der Pub gehört mir, und ich habe noch einige andere in London. Habe ich das gar nicht erzählt?«
Ich ertappe mich dabei, dass ich ihn sprachlos anstarre.
»Aber ich würde eines Tages auch gern ins Ausland expandieren … vielleicht ein Lokal in Frankreich eröffnen. Oder in Italien.«
Ich werde tiefrot vor Scham.Wenn ich überlege, dass ich ihm an den Kopf geworfen habe, »nicht mehr als ein Barkeeper« zu sein. »Nein, das wusste ich nicht.«
»Ich schätze, es gibt eine ganze Menge, was wir nicht voneinander wissen«, gibt er zurück und sieht mir in die Augen. »Vielleicht können wir uns ja auf den neuesten Stand bringen, wenn du entlassen wirst …« Seine Stimme verklingt, als wir einander tief in die Augen sehen und offenbar ein und denselben Gedanken haben. »Oh, bevor ich es vergesse …« Er kramt etwas aus seiner Tasche. »Das hier habe ich übrigens gefunden.«
»Meine Uhr!«, rufe ich. Als er sie mir reicht, berühren sich unsere Finger, und es ist, als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen.
»Sie lag in einer Ecke. Offenbar hat jemand mit dem Fuß daraufgestanden.«
Ich sehe sie an und stelle fest, dass sie kaputt ist. Die Zeiger stehen still. Die Zeit steht still, im wahrsten Sinne des Wortes.
»Ich kann sie für dich reparieren lassen, wenn du willst«, sagt er leise, und ich bemerke, dass er noch immer meine Hand hält. Ich lege meine Finger um seine, sehe ihn an und wünsche, der Moment möge niemals vergehen.
»Oh, das hat keine Eile.« Ich lächle. »Überhaupt keine Eile.«
Kapitel 40
Neun Monate später
»Pardon, Monsieur? Combien?«
Der
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