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Heute schon geträumt

Heute schon geträumt

Titel: Heute schon geträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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müssen, denn dann schläft man unter Garantie nicht.
    Ich lasse mich auf die Kissen fallen und ziehe mir die Schlafmaske über die Augen. Ich muss loslassen.Wegdriften. Aus der Soundmaschine im Hintergrund dringen »Entspannende Meeresklänge«, ich lausche den Wellen, die ans Ufer schlagen. Hin, her, hin -
    Das Kissen fühlt sich zu heiß an. Ich drehe es um und lege meine Wange auf die kühle Baumwolle. Ah, so ist es besser. Ich kneife die Augen zusammen und versuche einzuschlafen.
    Und irgendwie fühlt es sich so knotig an. Ich stütze mich  auf den Ellbogen und schlage mit der Faust auf das Kissen, um die antiallergenen Federn in Bewegung zu versetzen, ehe ich mich wieder hinlege. Gut, alles klar. Schläfchenzeit. Ich kuschle mich unter die Decke. Aus der Soundmaschine rauscht es rhythmisch, der Luftbefeuchter verteilt Dampf. Jede Minute falle ich in tiefen Schlaf.
    Aber zuerst muss ich eine bequeme Position finden. Ich drehe mich auf die eine Seite, dann auf die andere. Meine Güte, bilde ich es mir nur ein, oder ist es hier drin schrecklich heiß? Ich werfe die Decke zurück und genieße die Kühle. Mmm. Besser.Viel, viel besser …
    Aber ein bisschen kalt ist mir schon. Und zieht es hier irgendwo? Wenn ich es mir genau überlege, ist mir doch ein bisschen kalt. Ich ziehe die Decke wieder hoch und gelange zu einem Kompromiss, indem ich sie auf halber Höhe lasse. Okay. Perfekt.
    Ich liege ganz still da und konzentriere mich darauf, an nichts zu denken, jeden Gedanken zu verbannen. Zum Beispiel den an mich selbst mit den dichten Brauen, der aufgebauschten Frisur und dem gruseligen Silberlidschatten, den ich völlig vergessen hatte. Oder wie ich trinke, rauche, mich in die Sonne lege und so ziemlich alles tue, was schädlich für mich ist. Oder wie ich auf diesen Billy Romani, diesen dämlichen Penner, diesen Loser, stehen konnte.
    Es ist sinnlos. Schon wenn sonst alles glattläuft, habe ich Schlafprobleme, aber jetzt, mit all diesen Gedanken, die mir ununterbrochen im Kopf herumgehen?
    Keine Chance.Vergiss es. Ich werde ein bisschen lesen, beschließe ich, knipse die Nachttischlampe an, schnappe meinen neuen Ratgeber Stress, nein danke und schlage Kapitel 2 auf: Den Geist entspannen. »Stellen Sie sich vor, Sie spazieren durch einen wunderschönen Wald. Die Sonne scheint. DieVögel zwitschern und fliegen anmutig am Himmel über  Ihnen. Sie neigen das Gesicht der Sonne zu, sehen ihnen nach, stellen sich vor, Sie wären einer von ihnen.«
    Ein Vogel? Was für eine Art? Ich weiß. Ich wäre ein Adler. Nein,Adler geht nicht, weil die nicht zwitschern. Ein Spatz? Wie wäre es damit? Nein, zu öde. Ein Rotkehlchen. Okay, ich bin ein Rotkehlchen.
    »Stellen Sie sich vor, Sie könnten fortfliegen, weit in den Himmel hinauf, höher und höher.«
    Wie hoch? Ich kann Höhe nicht leiden. Ich bekomme Höhenangst. Eigentlich bin ich auch nicht scharf aufs Fliegen, schon gar nicht seit diesem grauenhaften Rückflug aus Spanien vor ein paar Jahren. Oh Gott, fürchterliche Turbulenzen. Alle kreischten und schrien, sogar die Stewardessen! Ich schwöre, ich dachte, meine letzte Stunde hätte geschlagen …
    Okay, das also auch nicht. Zum Teufel damit!
    Ich schlage das Buch zu und lege es weg. Es bringt alles nichts, ich kann mich einfach nicht entspannen. Ich bin viel zu unruhig. Gerade noch hatte ich ein völlig normales Leben, hatte völlig normale Dinge im Kopf wie geschäftliche Termine, Abendessen mit Miles und das Geld, das ich seit Weihnachten zu sparen versuche, aber jetzt ist alles völlig aus den Fugen geraten, und ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.
    Abgesehen davon, mich in das Ganze - wie immer über Gebühr - hineinzusteigern, versteht sich.
    Ich stehe auf und ziehe meinen Morgenrock an. Dann gehe ich in die Küche, setze den Kessel auf und mache den Kühlschrank auf, um die Sojamilchtüte herauszunehmen. Aber mitten in der Bewegung halte ich inne. Ich habe einen dieser amerikanischen Riesenkühlschränke mit endlos viel Schnickschnack darauf - ein alter Trainingsplan, Fotos von Ruby und Sam, Rezepte aus Zeitschriften, die ich irgendwann ausprobieren wollte, und Magnete mit Sprüchen wie »Nicht der Weg ist das Ziel« oder »Frauen sind wie Teebeutel: Erst wenn sie in Berührung mit heißem Wasser kommen, merkt man, wie stark sie sind - Eleanor Roosevelt«. Den habe ich von Vanessa geschenkt bekommen.
    Aber für all das habe ich in diesem Moment keine Augen. Mein Blick bleibt an einem alten Foto hängen,

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