Heute Und in Ewigkeit
ich mich gegen ihren Griff wehrte.
»Wahrscheinlich ist das ihr erster – ihr Jungfrauen- BH .« April lachte wie ein schreiender Esel.
»Ja, das Mördermädchen ist ganz sicher noch Jungfrau«, sagte Kelli. »Wer würde denn eine mit so winzigen Titten wollen?«
»Zieh fester, Maureen.« April klang aufgeregt. »Zieh ihr die Bluse ganz runter.«
»Schmierige Lesbe.« Ich zielte mit dem Fuß etwas höher, aber Maureen wich aus und packte mich von hinten. April grapschte nach meiner Bluse.
»Verdammt, lass mich los, Maureen, sonst bringe ich dich um.« Ich stieß mit dem Ellbogen zu und traf sie an der Schulter, weil sie gut sieben Zentimeter kleiner war als ich.
»Scheiße!«, schrie Maureen auf. »Haltet sie fest.«
Kelli holte ein kleines, fies aussehendes Springmesser aus der Tasche ihrer Jeans und ließ es aufschnappen. Sie hielt mir die winzige, mörderische Klinge an den Hals und drückte die Spitze in meine Haut. »Halt schön still.«
»Du bist tot«, knurrte ich und wand mich, weg von der Messerspitze, von Maureens Händen, von Kellis feuchten Augen.
Maureens kalte, dürre Finger schlangen sich um meine Arme. Alles um mich herum war ganz klar und scharf. Der abblätternde beigefarbene Anstrich. Die braunen Rohre. Der überquellende Mülleimer. Die dämliche Tafel, die sie aufgehängt hatten, damit nicht so viele Graffiti auf die Wände geschmiert wurden. Verfluchtes Miststück verdammt hasse dich hasse dich hasse euch alle.
Das scharfe Messer bohrte sich in die weiche Haut an meiner Kehle. Ich winkelte ein Bein an und stieß der Schlampe den Fuß in den Bauch. Kelli taumelte rückwärts. Sofort stürzte ich mich auf sie, schlang die Hände um ihre Kehle und drückte zu, bis ich die Sehnen unter den Fingern spürte. Dabei presste ich ihr das Knie fest in die Brust.
»Runter von ihr«, schrie Maureen und trat mich in den Rücken.
April brüllte: »Benutz das Messer, Kelli!«
»Steh auf, Lulu«, sagte Maureen, »oder ich bringe dich um.«
Tränen rannen Kelli aus den Augen, sie würgte.
»Aufhören!«, schrie April und packte mich.
Die Tür flog mit einem Knall auf, der durch den ganzen Keller hallte, und Mrs. Cohen, die Wochenenddienst hatte, kam herein. »Lulu, sofort runter von Kelli.« Die Sozialarbeiterin nahm mich bei der Schulter. Kelli lag hustend am Boden. April und Maureen setzten ihre glattesten Gesichter auf.
»Spar dir die Mühe, das Messer zu verstecken, Kelli. Ich habe es längst gesehen.« Mrs. Cohen musterte mich und schien erst jetzt meine zerrissene Bluse zu bemerken.
»Sie hat mich gewürgt.« Kelli berührte die Fingerabdrücke, die sich wie eine Kette um ihren geröteten Hals zogen. Mühsam setzte sie sich auf.
»Bist du verletzt?« Mrs. Cohen klang wenig mitfühlend.
»Wir haben nur rumgealbert«, behauptete April.
Reetha drückte sich in die Ecke.
»Ja, es sah sehr lustig aus.« Mrs. Cohen musterte mich mit festem Blick. »Lulu, was ist passiert?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Wie April gesagt hat – wir haben nur herumgealbert.«
Mrs. Cohen lockerte den Griff an meiner Schulter und ließ mich dann los. Sie verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. Die anderen Sozialarbeiterinnen waren jünger als Mrs. Cohen, die mich mehr an die reichen Damen erinnerte, die Kleider oder Bücher vorbeibrachten.
»Ihr lügt, und zwar alle. Kelli, Maureen, April, ihr wartet im Besprechungszimmer auf mich.« Mrs. Cohen funkelte die drei an. »Du auch, Reetha.«
Besprechungszimmer war die vornehme Bezeichnung für einen dreckigen, kleinen Raum ohne Fenster, der an sich schon eine Strafe war. Es gab dort keine Bilder, keine Lampen, keinen Teppich, nur ein Sofa mit schlappen Kissen und drei zerschrammte Plastikstühle.
Mrs. Cohen wartete, bis die anderen gegangen waren, und sah mich dann mit schmalen Augen an.
Ich wusste nicht, ob sie wütend oder bestürzt war.
»Warum deckst du sie?«, fragte sie.
»Weil ich hier lebe.«
»Sie hätten dich schwer verletzen können.«
»Ich hätte sie auch verletzen können. Zumindest eine von ihnen.«
»Das macht mir ebenso sehr zu schaffen. Vielleicht sogar noch mehr.«
Sollte ich vielleicht im Kellerklo meine Seele vor ihr bloßlegen?
»Ich mache mir Sorgen um dich, Lulu. Du kannst es dir nicht leisten, das zu verlieren, was du hast.«
»Was habe ich denn?«
Mrs. Cohen strich mir mit einer Hand über die Stirn. »Potenzial.«
Das Wort traf mich eher wie eine Forderung denn wie ein Kompliment. Ihr Blick wurde ganz weich, als
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