Heute Und in Ewigkeit
schmiegte das Kinn in seine große Handfläche. »Ich muss los, Kleines.«
»Was glaubt sie denn, wo du so spät in der Nacht noch bist?«
»Wer?«
»Du weißt schon, wer.« Meine Hand kroch zu meiner Brust.
»Sie glaubt, dass ich genau da bin, wo ich ja auch bin – mit Freunden unterwegs.« Seine Stimme beendete das Thema. Wage es nicht, die heilige Ehefrau zu erwähnen, Hure. Sprich nicht von den sakrosankten Kindern. Quinns finsteres Stirnrunzeln ließ mir die Worte quer in der Kehle stecken bleiben. Ich wich zurück und schlang die Arme um die Knie.
»Ich rufe dich morgen an«, sagte er.
»Nein.«
»Fangen wir etwa schon wieder damit an?«
Ich griff nach meinem zerknautschten Nachthemd. Quinn hatte mich gelehrt, nackt ins Bett zu gehen. Kein Mann vor ihm hatte je meine Narbe zu sehen bekommen. Er hatte meine Lügen über eine Messerstecherei im Duffy ohne Kommentar oder Urteil hingenommen. Erst hatte ich ihn dafür geliebt. Inzwischen kannte ich die Wahrheit: Er war kein bisschen neugierig darauf. Folglich, so erkannte ich, liebte er mich nicht. Wenn man jemanden liebt, ist man neugierig auf alles, was er tut, auf alles, was er ist.
Das wusste ich, weil es mir bei Quinn genauso ging.
17
Merr y
ch schaffte es, Quinns Anrufen eine Woche und zwei Tage lang auszuweichen, bis es Zeit war, nach New York zu reisen. Lulu faltete meine Wäsche zusammen und sah mir beim Packen zu.
»Was hast du vor, Merry? Willst du auf ewig sein braves Mädchen sein?« Lulu strich mit zornigen, entschlossenen Händen die Falten aus meiner schwarzen Jeans.
Ich steckte ein Buch in meinen Rucksack, während ich mir die richtige Antwort zurechtlegte. Morgen würde ich meine wöchentliche Fahrt zu Dad antreten – ich fuhr mit dem Greyhound-Bus zur Port Authority und mit der Fähre zum Gefängnis. Jedes Mal kam Lulu am Abend vorher zu mir, um mich im Voraus dafür zu schelten, dass ich hinfuhr. Wenn ich dann zurückkam, wartete sie immer schon auf mich, um alle Details über den Besuch aus mir herauszuwringen wie Wasser aus einem Schwamm.
»Dads braves Mädchen?« Ich war zu müde, um mich zu streiten. Quinns Anrufe zu ignorieren, hatte mich fertiggemacht. Ich hatte den Tag schon mit einem Schlafdefizit begonnen. »Meinst du ihn damit?«
Ich griff nach einer kalten Flasche Michelob. Lulu wusste, dass ich wieder mit Quinn geschlafen hatte. Sie hatte die Anzeichen erkannt und mich direkt gefragt, ich hatte ihr ehrlich geantwortet, und sie hatte darauf nur den Kopf geschüttelt. Ihre Reaktion deprimierte mich – als seien meine Missetaten inzwischen so wenig überraschend, dass sie kaum eine beiläufige Geste verdienten.
»Ja. Daddys braves Mädchen«, sagte Lulu. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Quinn dich als braves Mädchen betrachtet.«
»Unser Vater hat schließlich niemand anderen.« Unsere Unterhaltung war längst erschöpft von den vielen Wiederholungen, in denen wir ohne Hoffnung immer wieder unsere müden Argumente vorbrachten. Jede von uns wartete seit Jahren darauf, dass die andere einmal etwas daran veränderte.
Lulu nahm meinen Rucksack. Sie legte und schob die Sachen viel besser zurecht, als ich es je könnte. »Na und?« Sie wickelte einen Baumwollpulli um mein Ms. Magazine . »Er verdient auch niemanden.«
»Ob dir das passt oder nicht, er gehört zur Familie«, sagte ich.
»Du und Drew seid meine einzige Familie.« Lulu legte eine Bluse neu zusammen.
»Müssen wir das wirklich wiederholen?« Ich versuchte das Thema zu wechseln. »Was macht die Arbeit?«
»Die Arbeit lässt mich in ständigem Grauen leben. Ich dachte, in der Facharztausbildung würde ich es leichter haben, aber jetzt habe ich ständig Angst, ein Assistenzarzt könnte unter meiner Aufsicht jemanden umbringen.«
»Zumindest liebst du deinen Beruf.«
»Das liegt daran, dass ich mich selbst mag«, erwiderte sie.
»Fick dich.« Ich wandte mich ab, damit sie nicht sehen konnte, wie ich mir kräftig in den Unterarm zwickte, um mir nicht an die Brust zu fassen. Lulu glaubte, mir zu helfen, indem sie mir brutal auf den Kopf zusagte, was sie dachte, und nichts konnte sie davon abbringen. »Ich werde schon noch den richtigen Job finden. Nicht alles lässt sich darauf zurückführen, dass ich die unfähige Verliererin bin, für die du mich anscheinend hältst.«
Lulu zog den Reißverschluss des Rucksacks zu, lehnte sich ans Kopfteil des Bettes und schob meine Kissen hinter sich. Wenigstens hatte ich es gemacht, ehe sie vorbeikam. »Ich halte
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