Heute Und in Ewigkeit
Besuch. Sie müssen sich ihrem eigenen Leben widmen können.«
»Sprechen wir lieber über Sie. Was ist das für eine Stelle?«, fragte ich und überprüfte Auras Vitalfunktionen eine nach der anderen.
»Bibliotheksassistentin für die Brookline-Schulen. Ich glaube, das könnte genau das Richtige für mich sein.«
»Die können sich glücklich schätzen, Sie zu bekommen«, sagte ich. »Blutdruck in Ordnung. Gewicht zu niedrig. Wie fühlen Sie sich denn?«
»Gut, nur dass es bei mir zu oft eine Schale Müsli zum Abendessen gibt.«
»Sie müssen für sich selbst so gut sorgen, wie Sie für Ihren Mann gesorgt haben.« Ich wärmte das Stethoskop zwischen den Händen an. »Tief Luft holen.«
»Wann haben Sie das schon mal bei einer Frau erlebt?«, fragte Audra und stieß den angehaltenen Atem aus. »So etwas tun wir
nur für andere.«
»Irgendwelche Beschwerden?«
»Nur das Übliche – ich höre genau das Gleiche von den Mädels in meinem Bridgeclub. Hier und da zwickt etwas. Die Füße tun weh. Das Gesicht sieht nicht mehr so schön aus.« Audra lächelte. »Ein Glück, dass man für diese Stelle nicht attraktiv zu sein braucht.«
Ich legte Audra eine Hand auf die Schulter. »Sie werden immer reizend aussehen. Sie haben die klassischen Züge, die sich jede Frau wünscht. Wie Katherine Hepburn.«
Merry hatte mir eine Nachricht hinterlassen, dass sie Doktor Schiwago ausgeliehen habe. Ich mochte Geraldine Chaplin – die Ehefrau – lieber als Julie Christie. Chaplins dunkle Augen und ihr sanftes Gesicht waren anheimelnder als Christies Schönheit.
Ich geriet in Panik. Welche Farbe hatten die Augen meiner Mutter gehabt? Waren sie blau gewesen? Oder braun wie Merrys? Wir hatten nur Schwarz-Weiß-Fotos von Mama. Wer würde das noch wissen? Wen konnte ich fragen?
»Na ja, den faltigen Hals der Hepburn habe ich immerhin schon. Aber wen kümmert das noch?« Audra klatschte in die Hände und riss mich damit aus meinen Gedanken. »Hör sich einer mein Gejammer an. Du meine Güte. Ich habe ein wunderbares Leben gehabt, und jetzt geht es auf in ein neues Abenteuer.«
»Ein neues Abenteuer, so ist es. Man kann nie wissen, was das Leben für einen bereithält, nicht wahr? Wenn Sie bitte das Untersuchungshemd öffnen und sich hinlegen würden, damit ich Ihre Brüste untersuchen kann, haben wir es gleich geschafft.«
Audras sommersprossige Brüste bildeten ihre Schwangerschaften ab. Ihre dünne, trockene Haut zeigte, wie sehr sie beansprucht worden war, ihre Brustwarzen trugen die typischen Hinweise auf saugende Babys. »Würden Sie bitte die Arme heben, Audra?« Ich trat näher und drückte mir die Brille fester auf den Nasenrücken. »Die Hände hinter den Kopf, ja?«
Das Papier auf der Untersuchungsliege knisterte, als Audra sich auf den Rücken legte. Das helle Licht aus den Leuchtstoffröhren spiegelte sich in den weißen Stahlschränken und dem Chrom der Geräte und betonte jedes Muttermal und jeden Altersfleck auf Audras Haut. Ich legte die Fingerkuppen auf Audras kleine Brüste und folgte der neuen Methode, die ich gelernt hatte. Ich untersuchte jeden Fleck drei Mal mit unterschiedlichem Druck. Statt mich im Kreis um Audras Brüste herumzuarbeiten, ging ich von oben nach unten über die gesamte Brust, um auch das Gewebe einzuschließen, das bis zum Schlüsselbein hinauf und seitlich bis in die Achselhöhlen reichte.
Mit fiel nichts auf, bis auf eine raue Hautstelle an einer Brustwarze. Ich richtete die Lampe neu aus, zog sie etwas näher heran, beugte mich vor und bemerkte eine Rötung sowie schuppige Haut um die rechte Brustwarze. Vorsichtig strich ich mit dem Finger darüber und drückte sie dann leicht, um zu prüfen, ob sie etwas absonderte. An der linken Brustwarze schien es keine solche Hautveränderung zu geben. Ich kehrte zur rechten Brust zurück, fuhr erneut mit der Fingerspitze über die schuppige Stelle und tastete den Warzenhof noch einmal ab.
»Haben Sie irgendwelche Probleme an der rechten Brustwarze?«
»Nein. Stimmt etwas nicht?« Audra wandte mir das Gesicht zu. Bisher hatte sie sich so verhalten wie die meisten Frauen während einer intimen Untersuchung – sie hatte reglos wie eine Schaufensterpuppe an die Decke gestarrt. Nun wirkte ihre Miene besorgt.
Mein Blick huschte zu der Brust, dann wieder zu Audra. »Mir ist hier ein leichter Ausschlag aufgefallen. Haben Sie nichts bemerkt?«
»Die Stelle juckt ein bisschen, fällt mir auf, da Sie es erwähnen. Muss ich mir deswegen Gedanken
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