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Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02

Titel: Hex Hall 02 - Hawkins, R: Hex Hall 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hawkins
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denn?«
    Nachdenklich schob sie ihr Essen hin und her – offenbar rang sie um die richtige Wortwahl mit sich. Und dann fasste sie den Entschluss, einfach kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
    »Archer ist in England.«
    Das Stück Schinken, auf dem ich gerade herumgekaut hatte, verwandelte sich in meinem Mund augenblicklich in Sägespäne. Aber irgendwie brachte ich trotzdem einen recht unbeschwerten Tonfall zustande und sagte nur: »Ja, angeblich . Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob man die Aussagen zweier Zauberer – die auch noch total besoffen waren, soweit ich weiß – tatsächlich für bare Münze nehmen kann.« Abgesehen davon hatten aber wohl noch andere Leute behauptet, Archer gesehen zu haben. Ein Werwolf berichtete von einem jungen Mann, auf den Archers Beschreibung passte. Offenbar war er ihm in London begegnet, als das Auge gerade eine Dämonenhöhle gestürmt hatte. Und dann war da auch noch der Vampir, der vor drei Monaten nur einige Häuserblocks von der Victoria Station entfernt mit einem jungen, dunkelhaarigen Auge gekämpft hatte.
    Mrs Casnoff verwahrte in ihrer untersten Schreibtischschublade eine ganze Akte über Archer. Irgendwelche Zaubereien konnten ihrem Schreibtisch zwar nichts anhaben, dafür aber Nagelfeilen und Muskelkraft.
    »Wie dem auch sei«, sagte ich zu Jenna und senkte den Blick auf meinen Teller. »Das ist doch jetzt Monate her.«
    »Es war erst letzten Monat«, korrigierte mich Jenna, und ihr Tonfall deutete an, dass ich das doch garantiert gewusst hatte. »Außerdem erzählen sich die Leute, dass er bereits seit seinem Verschwinden in England sei. Ich habe diese beiden Hexen in Savannah belauscht.«
    »Die Insel ist groß, Jenna«, erwiderte ich. »Und selbst wenn Archer dort wäre, bezweifle ich ernstlich, dass er sich in der Nähe von Prodigien aufhalten wird. Das wäre einfach nur dumm. Und Archer ist vieles, aber bestimmt kein Idiot.«
    Jenna widmete sich wieder ihrem Essen, doch nachdem ihre grünen Bohnen bereits die dritte Runde auf dem Teller gedreht hatten, schob ich mein Abendbrot beiseite und seufzte: »Spuck’s einfach aus.«
    Sie legte ihre Gabel weg und sah mir fest in die Augen. »Und was willst du tun, wenn du ihm doch begegnest?«
    Ich hielt ihrem Blick so lange stand, wie ich nur konnte. Mir war schon klar, was sie wollte. Sie wollte nämlich von mir hören, dass ich bereit wäre, ihn dann unverzüglich dem Rat auszuliefern – der ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hinrichten würde. Oder vielleicht wollte sie sogar, dass ich ihn persönlich tötete.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit gestattete ich mir, an Archer zu denken, mich also wirklich an ihn zu erinnern. An seine braunen Augen und das bedächtige Grinsen. An sein Lachen und daran, wie ich mich fühlte, wenn ich mit ihm zusammen war. An den Klang seiner Stimme, wenn er mich »Mercer« nannte.
    Und an die Art, wie er mich geküsst hatte.
    Ich ließ den Kopf hängen. »Ich weiß es nicht«, antwortete ich schließlich.
    Jenna seufzte, ließ die Sache aber auf sich beruhen. Einen Augenblick später fingen wir auch schon wieder von der Reise an. Ich brachte Jenna zum Lachen, indem ich laut darüber nachdachte, ob es unter englischen Vampiren wohl so etwas wie eine Teekultur gab. »Und wenn du dann nach Earl Grey fragst, bekommst du auch tatsächlich Earl Grey«, schloss ich meine Überlegungen ab, woraufhin Jenna einen weiteren Lachanfall bekam.
    Als wir den Speisesaal verließen, fühlte ich mich viel besser, und das Gleiche galt wohl auch für Jenna, denn auf der Treppe hakte sie sich bei mir ein.
    Doch der Gedanke, den sie mir in den Kopf gesetzt hatte, war beim besten Willen nicht mehr wegzudenken. Also sah ich beim Einschlafen Archers Augen vor mir und hoffte – zumindest mit dem größten Teil meines Herzens –, er möge nicht in England sein.
    Allerdings hoffte ein nicht gerade winziger Teil meines Herzens, dass er es doch war.

 
     
    4
    Drei Wochen später war ich tatsächlich auf dem Weg nach England.
    Mom und Mrs Casnoff hatten uns am späten Nachmittag zur Fähre begleitet. Moms Augen waren gerötet, daher wusste ich, dass sie geweint hatte, aber während sie Jenna und mir half, unser Gepäck zu verstauen, gab sie ihr Bestes, sich nichts anmerken zu lassen. »Du musst unbedingt ganz viele Fotos machen«, sagte sie zu mir. »Und solltest du dir dort irgend so einen komischen britischen Akzent angewöhnen, dann müsste ich dich wohl enterben.«
    Als wir schließlich an Deck

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