Hex
abgefunden.
Trotzdem ertappte er sich dabei, wie er immer wieder verstohlene Seitenblicke zur Speichertür warf. Er wußte, daß der Tumor ihn jetzt auslachte. Immerhin war er so anständig, dabei nicht Karels Stimmbänder zu benutzen.
Wenige Minuten später klopfte es an der Tür, und zwei Männer traten ein. Sie sahen sich bemerkenswert ähnlich, was an ihren grauen Anzügen und dem glatt zurückgekämmten Haar liegen mochte. Karel hatte keinen von beiden je zuvor gesehen, aber ihr Auftreten ließ keinen Zweifel daran, in wessen Auftrag sie hier waren.
Die beiden nannten ihre Namen und zeigten ihm ihre Dienstausweise. »Wir kommen vom Ministerium«, fügte der eine unnötigerweise hinzu.
Karel spürte, wie sich die Krebsstimme zu Wort melden wollte. Im letzten Augenblick zog sie sich wieder zurück. Sie wollte ihn nervös machen. Das tat sie oft.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte er und gab sich Mühe, beflissen zu klingen. Er haßte diese Kerle und ihre unerwarteten Auftritte. Manchmal glaubte er, sie wollten ihn kontrollieren. Ihn und das ganze Hex.
»Wir brauchen eine Auskunft«, verlangte der eine. Sein Blick fiel angeekelt auf den Spucknapf neben Karels Schreibtisch. Karel bemerkte es mit einer gewissen Genugtuung.
»In welcher Angelegenheit?«
»Über ein Ereignis, das sechs Jahre zurückliegt«, sagte der eine Mann. »Die Unterlagen müssen hier bei Ihnen sein.«
Karel überlegte. »Dann wurden sie bei der Gründung des Hex vor drei Jahren hierhergeschafft. Aber das meiste davon ist nicht katalogisiert. Ich bin allein hier oben und habe genug mit den aktuellen...«
Die Männer unterbrachen ihn. »Es geht um den Fall Eisenstein«, sagte der eine. »Sagt Ihnen der Name etwas?« fragte der andere.
Eisenstein. Natürlich. Jemand aus dem Innenministerium. Er war vor sechs Jahren verschwunden. Die landläufige Meinung war, daß er sich damals an die Franzosen oder Engländer verkauft hatte. Weshalb sollte eine Akte über ihn hier beim Hex liegen? Spionage war kein Fall für die Abteilung.
Es sei denn, Eisenstein wäre auf eine Weise verschwunden, über die in der Presse nicht berichtet wurde. Das wiederum bedeutete, daß man im Ministerium wußte, wo er steckte. Oder zumindest einen Verdacht hatte.
Karel spürte, wie ihn leichte Erregung überkam. Sein Interesse war geweckt.
»Haben Sie ein Aktenzeichen? Eine Nummer? Irgend etwas?« fragte er die beiden Männer und ging dabei in Gedanken schon jene Regale durch, in denen Akten aufbewahrt wurden, die das Hex bei seiner Gründung von anderen Abteilungen übernommen hatte. Nur ein kleiner Teil davon war in das Gesamtverzeichnis aufgenommen worden. Ihre Bearbeitung war eine Aufgabe, für die Karel einen Assistenten benötigt hätte.
Einer der Männer griff in die Innentasche seiner Jacke und zog einen Papierstreifen hervor. Gewissenhaft las er Karel ein gutes Dutzend Nummern und Buchstaben vor.
Der Archivar dachte angestrengt nach. Er kannte diese Zahlenreihe; zumindest eine, die ähnlich klang. »Es ist noch nicht lange her, daß ich ein paar Akten mit einem Teil dieser Nummern in der Hand hatte«, überlegte er laut. »Es ging um den Fall Kayssler. Gibt es da einen Zusammenhang?«
Die beiden Männer warfen sich einen verstohlenen Blick zu, der alles und nichts verriet. In Gedanken beantwortete Karel seine Frage selbst mit einem »Ja«.
»Möglicherweise«, entgegnete einer der beiden vage. »Werden Sie die Eisenstein-Unterlagen nun finden oder nicht?«
»Es wird eine Weile dauern«, sagte Karel und drehte sich zu seinen Regalen um. In Wahrheit wußte er längst, wo er die Ordner finden würde, denn die Unterlagen über Kayssler hatte er mehr als einmal durchgesehen. Das wenige, was daraus ersichtlich wurde, stank zum Himmel. Viele Seiten waren augenscheinlich entfernt worden, bevor die Akten beim Hex gelandet waren. In der Chronologie klafften Lücken von mehreren Wochen, sogar ganzen Monaten.
Während er zwischen den Regalreihen umherging, rief er über seine Schulter: »Wenn Sie die Unterlagen einsehen wollen, müssen Sie ein Benutzungsformular ausfüllen.«
»Wir wollen sie nicht einsehen, sondern mitnehmen«, gab einer der Männer zur Antwort.
Karel blieb wie angewurzelt stehen. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«
»Richtig, wir sind hier, um Witze zu machen.«
Der Archivar fuhr herum und stürmte zwischen den Regalen hervor auf die Männer zu. »Sie haben keine Autorisierung, um so etwas...«
Erneut wurde er unterbrochen. Der ältere
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