Hex
der beiden hielt ihm ein Papier entgegen. »Lesen Sie«, forderte er barsch.
Karel nahm es zögernd entgegen, ohne seinen Blick von den Augen des Mannes zu nehmen. Er sah eine Überheblichkeit darin, die ihm Übelkeit bereitete.
Es war ein Brief, und er stammte aus dem Büro des Innenministers. Er garantierte vollkommene Verfügungsgewalt über alle Teile des Hex.
»Kennt Herr Zacharias dieses Schreiben?« fragte er leise.
»Herr Zacharias ist nicht in seinem Büro. Sein Sohn hatte einen Unfall.«
»Dominik?« fragte Karel alarmiert.
»Mag sein. Keine Ahnung, wie der Bengel heißt.«
Dem Archivar wurde heiß vor Wut. »Dieser Bengel ist ein Agent dieser Abteilung, meine Herren.«
Der Jüngere zuckte mit den Schultern. »Solange sie noch existiert.«
Der andere Mann warf ihm einen scharfen Blick zu, der ihn auf der Stelle verstummen ließ.
»Wie meinen Sie das?« verlangte Karel zu erfahren. Eine beängstigende Kälte breitete sich in seinem Magen aus.
»Hören Sie«, sagte der ältere Mann, offenbar bemüht, den Schnitzer seines Kollegen zu überspielen. »Wir sind hier wegen dieser Akte. Dieses Schreiben verleiht uns die Autorität, sie einzufordern. Seien Sie also bitte so gut, und suchen Sie das Ding. Danach verlassen wir Sie, und Sie können weiter Tee trinken, oder was immer sonst Sie hier oben tun.«
»Kerle wie dich fresse ich zum Frühstück«, fauchte die Krebsstimme.
Der Blick des Mannes wurde noch finsterer. »Wie bitte?«
»Nichts«, erwiderte Karel, jetzt wieder er selbst. »Gar nichts. Warten Sie hier, ich suche das, was Sie haben wollen.« Geschwind drehte er sich um und ließ die beiden stehen. Er konnte ihre mißtrauischen Blicke wie Messerspitzen in seinem Rücken spüren.
Jetzt nur nicht singen, dachte er.
Was war mit Dominik los? Und was hatte der Mann gemeint, als er von der Existenz des Hex sprach?
Karel sah, daß seine Hand zitterte, als er mit den Fingerspitzen über die Kayssler-Akten strich. Und, ja, da war die Nummer, die die Männer suchten. Sie stand ganz am Ende der Reihe. Es mußten zehn oder elf Ordner sein, und aus keinem ging eindeutig hervor, mit was Kayssler und seine Leute sich tatsächlich beschäftigt hatten, bevor das Projekt von einem Tag auf den anderen abgebrochen worden war. Von Untersuchungen war die Rede, aber niemals, auf welchem Gebiet.
Karel warf einen Blick durch die Spalten oberhalb der Bücher und Ordner. Die beiden Männer standen immer noch im vorderen Teil des Speichers. Das verschaffte ihm einen Augenblick Zeit.
Er klappte den gesuchten Ordner auf und blätterte darin herum. Vieles waren Unterlagen über Eisensteins Privatleben, aber auch Protokolle von Gesprächen mit Kollegen. Karel entdeckte ein Dokument, in dem eine Anfrage bestätigt wurde, wonach Eisenstein am Tag seines Verschwindens Berlin in seinem Automobil verlassen hatte. Sein Ziel galt als unbekannt.
»Herr Haaf?« rief einer der Männer ungeduldig.
Karel überhörte den Ruf und blätterte weiter. Er fand einige Briefe und Eingaben Eisensteins, in denen von der Bewilligung von Geldmitteln für Kaysslers Forschungen die Rede war. Erstaunt entdeckte Karel auch den Kaufvertrag für ein weitläufiges Anwesen, den der Vermißte im Auftrag unterschrieben hatte; in wessen Auftrag ging nicht daraus hervor.
»Haaf, haben Sie die Akte?«
Jetzt ertönten Schritte, als die Männer sich aufmachten, im Labyrinth der Bücherregale nach ihm zu suchen.
»Ich komme«, rief er zurück. »Ich hab’ sie gefunden.«
Die Schritte verharrten, was ihm weitere Sekunden gab. Im hinteren Teil der Akte fand er eine Reihe von körnigen Schwarzweiß-Photographien. Sie zeigten das alte Herrenhaus, das offenbar im Vertrag erwähnt wurde. Auf die Außenansichten folgten Bilder aus dem Inneren. Die Böden und Wände waren mit etwas bedeckt, das wie schwarzer Brei aussah. Dann das Bild einer Kellertreppe, von oben aufgenommen. Karel blätterte aufgeregt weiter. Noch mehr Photographien, diesmal im Keller. Ein enger Korridor, leer. Eine fensterlose Kammer, ebenfalls mit dem Brei bedeckt. Dann eine halboffene Stahltür mit der Aufschrift »Labor«. In dem Raum dahinter lag etwas am Boden. Waren das Beine, die ins Bild ragten? Oder...
»Haaf, verdammt noch mal, was tun Sie da?«
Mit einem Seufzen schlug Karel den Ordner zu und ging zurück zu den Männern. Ungehalten nahm der Ältere ihm den Band aus den Händen.
»Die Frage, ob Sie ihn zurückbringen, erübrigt sich wohl.«
»Es war ein Irrtum, daß er
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