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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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recht ist.«
    Sie waren einverstanden.
    »Kommen Sie«, bat Lattuada, »wir machen einen Spaziergang zur Akropolis, ehe es dunkel wird. Dort können wir ungestört reden.«
    Durch den festgefrorenen Schnee stiegen sie die leichte Anhöhe hinauf, auf der Lattuada das Bauwerk hatte errichten lassen. An manchen Ecken waren immer noch einige Inuit damit beschäftigt, falsche Mauerfugen und Kerben in das Eis zu feilen.
    Zwischen den turmhohen Säulen blieb der Italiener stehen und genoß den überwältigenden Eindruck, den sein Werk auf die Gäste machte. Staunend blickten sie sich um und schienen darüber für einen Moment sogar die Kälte und den schneidenden Wind zu vergessen.
    Lattuada ließ ihnen Zeit, den Anblick auf sich wirken zu lassen, dann ergriff er erneut das Wort. »Es gibt noch etwas, das Sie, wie mir scheint, nicht wissen.«
    Die beiden blickten ihn erwartungsvoll an. Sina raffte ihren Kragen enger.
    Der Architekt sagte: »Sie sind nicht die ersten, die den Krater untersuchen.«
    »Dann waren die Dänen schon vor uns da?« fragte Max.
    »Nein, keine Dänen. Die Männer waren Deutsche wie Sie. Ein ganzer Trupp davon.«
    »Das ist unmöglich«, erwiderte Sina. »Wir haben diesen Auftrag erst vor wenigen Tagen erhalten, und man versicherte uns, wir seien die ersten, die davon erfuhren.«
    »Dann hat derjenige, der Ihnen das versichert hat, gelogen«, widersprach Lattuada. »Wie übrigens auch Ihr impulsiver Begleiter.«
    »Legrand? Weshalb?«
    Der Architekt räusperte sich und warf einen Blick zum Lager, wohl um sicherzugehen, daß Legrand ihnen nicht unbemerkt gefolgt war. »Nie und nimmer lebt dieser Mann seit mehreren Jahren in Grönland, mag er behaupten, was er will. Er weiß nichts über dieses Land, nichts über seine Bewohner, und ihm sind sogar die bekanntesten Sitten der Inuit fremd. Jeder, der hier lebt, hat schon einmal vom Lampenlöschen gehört, glauben Sie mir. Sie werden später erleben, warum. Aber dieser Legrand, wenn das wirklich sein Name ist, wußte offenbar nichts damit anzufangen. Ich garantiere Ihnen, dieser Kerl ist noch nicht viel länger hier im Eis als Sie beide.«
    »Sind Sie ganz sicher?« fragte Sina finster.
    »Darauf verwette ich meine Akropolis und Ihren heißgeliebten Krater dazu, wenn Sie mögen.«
    Max starrte ihn an, während Sina hinunter zum Lager schaute. Wer war Legrand wirklich, wenn nicht der, für den er sich ausgab? Und hatte Pfarrer Dorn davon gewußt, als er sie ihm anvertraute? Angeblich waren die beiden doch seit Jahren befreundet.
    »Was war mit diesen anderen Deutschen?« fragte Max schließlich. »Haben Sie mit ihnen gesprochen?«
    Lattuada schüttelte den Kopf. »Ich war an jenem Tag drüben in der Bucht, bei meinem Boot und den Eisschwänen. Aber die Arbeiter haben sie gesehen. Es waren viele, sagen sie, mindestens zwanzig oder dreißig.«
    »Dreißig!« stieß Sina aus. »Wie sollen die hierhergekommen sein?«
    »Mit einem Luftschiff oder Flugzeug, genau wie Sie«, gab der Architekt zurück. »Etwa hundertdreißig Meilen nördlich von hier liegen die Bleiminen von Mestersvig. Dort oben gibt es einen Flughafen. Wenn man die Männer dort eingeflogen hat und sie mit dem Boot an der Küste hinunter bis Ittoqqortoormiit oder in die Nähe brachte, hätten sie durchaus vor Ihnen hier sein können. Die Inuit haben sich an sie herangeschlichen, soweit sie es wagten, und dabei haben sie immer wieder das gleiche Abzeichen auf der Ausrüstung der Männer gesehen: die Flagge des Deutschen Reiches.«
    Max überwand sein Erstaunen als erster. »Dann müssen sie vom Militär gewesen sein. Was haben sie im Krater getan?«
    »Das gleiche wie Sie – und mehr«, antwortete Lattuada. »Sie haben die Wrackteile untersucht und einige davon abtransportiert. Die müssen oben in Mestersvig eine ganze Horde von Hundeführern angeheuert haben. Zahlreiche Bruchstücke wurden auf Schlitten zur Küste gebracht. Ich nehme an, dort hat man sie auf ein Boot verladen, das sie wieder hinauf zur Mine und zum Flughafen brachte.« Er hob die Augenbrauen und stieß scharf die Luft aus. Der Wind riß ihm die Dunstwolke von den Lippen. »Es sieht aus, als hätten Sie Konkurrenz in den eigenen Reihen bekommen.«
    Sina faßte sich. »Wir danken Ihnen, daß Sie uns das erzählt haben. Auch das über Legrand.«
    »Vergessen Sie’s. Aber wenn ich Ihnen noch einen Rat geben darf: Lassen Sie Legrand nicht merken, daß sie an seinen Worten zweifeln. Wenn er Ihnen etwas antun wollte, hätte er

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