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Hex

Titel: Hex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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los?«
    Ein Hieb mit einem harten Gegenstand traf ihre Schulter. Schmerzerfüllt schrie sie auf und ließ sich zur Seite fallen. Über ihrem Kopf zischte etwas durch die Dunkelheit, verfehlte sie um Haaresbreite. Sie erwartete, daß ihr Gegner nachsetzen würde, aber das tat er nicht. Statt dessen hörte sie, wie er quer durch die Hütte zurück zur anderen Seite huschte. Zurück zu Max, um zu vollenden, was er begonnen hatte. Oder um seine Spuren zu verwischen.
    Sina erwog einen Augenblick lang, um Hilfe zu rufen. Dann aber verwarf sie den Gedanken. Vielleicht nahm der andere an, sein Hieb hätte sie bewußtlos geschlagen. Das war ihre Chance!
    Sie machte zwei, drei lautlose Schritte hinter dem Unsichtbaren her. Dann stieß sie sich ruckartig mit beiden Füßen ab, sprang blindlings in die Finsternis. Hoffte, daß sie die richtige Richtung erwischte. Betete, sie würde ihn zu packen bekommen.
    Ihre Hände berührten einen Fellkragen, dann prallte sie gegen einen Körper. Ihr Gegner keuchte schmerzerfüllt auf, als sie ihn zur Seite riß und mit ihm über den Boden rollte. Ein Faustschlag streifte im Dunkeln ihren Wangenknochen. Sie riß ihr Knie hoch, doch der Tritt ging fehl. Statt dessen traf sie ein weiterer Hieb seiner Hand. Seine Fingerknöchel rammten die empfindliche Zone unterhalb ihres rechten Auges, und sie wurde zurückgeschleudert.
    Diesmal setzte der Mann nach. Sie spürte, wie er ihre Beine zu fassen bekam und sich auf sie ziehen wollte. Das durfte sie nicht zulassen. Wenn sie erst einmal unter ihm lag, war sie verloren. Sie strampelte ihr rechtes Bein frei und trat zu. Ihre Ferse krachte gegen sein Kinn. Er schrie auf. Der Druck auf ihr linkes Bein löste sich ebenfalls. Einen Augenblick lang war sie frei.
    Sie versuchte, die Schmerzen in ihrem Gesicht zu ignorieren. Schwerfällig kam sie auf die Füße und warf sich erneut in die Finsternis, dorthin, wo sie den Gegner vermutete. Ihre Finger bekamen seinen Kopf zu fassen, ihre Nägel stachen nach seinen Augen. Sie rissen blutige Furchen in seine Wangen.
    Der Schmerz brachte ihn zu Raserei. Mit unbändiger Kraft stieß er sie von sich. Noch immer konnte sie nicht das geringste erkennen. Sie stolperte über irgend etwas, einen Stuhl oder Hocker, und stürzte abermals zu Boden. Die Felle dämpften den Aufschlag, trotzdem stieß sie sich das Knie an. Einen Moment lang war ihr Bein wie elektrisiert. Sie kniff die Augen zusammen, um wenigstens die Form ihres Feindes auszumachen. Aber während sie noch angestrengt in die Schwärze starrte, raste sein Fuß heran und traf ihren Magen. Mit einem Aufschrei krampfte sie sich zusammen, bekam keine Luft mehr. Verzweifelt wollte sie sich zur Seite ziehen, doch ihr fehlte die Kraft. Rotgelbe Schlieren flirrten vor ihren Augen.
    Nicht bewußtlos werden! hämmerte sie sich ein. Nur nicht bewußtlos werden!
    »Legrand!« schrie sie in maßloser Wut. Herrgott, sie hätten das Schwein schon am Nachmittag ausschalten sollen!
    Er ließ von ihr ab. Durch das Rauschen des Blutes in ihren Ohren hörte sie, wie er sich zurück in jene Richtung schleppte, in der sie ihn das erstemal wahrgenommen hatte. Zurück zu Max.
    Nein! Max hatte sich nicht mehr geregt, auch keinen Ton von sich gegeben. Vielleicht aber war er noch nicht tot.
    Sina robbte über den Boden, zog Felle und Decken mit sich. Vergeblich versuchte sie, sich auf die Beine zu stemmen, aber ihre Glieder gehorchten ihr nicht mehr. Tränen schossen aus ihren Augen, Tränen der Wut und der Pein. Sie begriff, daß sie hilflos war, daß sie nicht das geringste tun konnte, um Max oder sich selbst zu retten. Es war vorbei.
    Im selben Moment wurde die Hüttentür aufgestoßen. Eine Taschenlampe blitzte auf. In ihrem Schein erkannte Sina einen Augenblick lang den Umriß ihres Gegners. Er stand über Max reglosen Körper gebeugt, blickte jetzt voller Erstaunen auf.
    Ein Schuß peitschte durch die Nacht. Der Mann wurde getroffen und von der Wucht des Einschlags nach hinten gerissen. Sina wurde durch das Licht der Taschenlampe geblendet, konnte nicht sehen, wer es war, der geschossen hatte. Sie streckte die Hand nach dem Licht aus, doch selbst diese kurze Bewegung tat weh. Sie wollte ihren Retter auf Max aufmerksam machen, öffnete die Lippen, aber nur ein Stöhnen drang aus ihrer Kehle.
    Plötzlich raste etwas an ihr vorüber. Der getroffene Mörder hatte etwas geschleudert, eine Stange oder einen Spieß. Die Gestalt vor dem Eingang schrie auf, die Taschenlampe fiel zu Boden,

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