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Hexe auf leisen Sohlen

Hexe auf leisen Sohlen

Titel: Hexe auf leisen Sohlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Sie nicht Platz nehmen?«
    Wir setzten uns vor seinen
Schreibtisch. Ich zündete mir eine Zigarette an und drückte meinen rechten
Daumen. Auf meiner Uhr war es zehn nach elf. Ich sah plötzlich auf und bemerkte
das schwache Lächeln auf Nicholas´ Gesicht. Er nickte mir leicht zu und sah
dann auf seine eigene Uhr.
    Eine Sekunde später sprang er
von seinem Platz auf und begann in dem Sprechzimmer auf und ab zu tigern, die
Hände tief in seinen Taschen vergraben. Seine Schultern zuckten gelegentlich,
während er hin und her ging.
    »Das alles ist ein Teil dieses
Komplotts«, dröhnte er unvermittelt. »Wer ist jener Bursche?«
    »Eines Komplotts?« fragte
Frazer freundlich.
    »Einer Verschwörung«,
wiederholte Nicholas. Dann sah er Adele mit höhnischem Ausdruck an. »Was nun,
süße Königin?«
    »Ah«, meinte Frazer ernst,
»Hamlet.«
    »Sie kennen mich also«,
bestätigte Nicholas höflich.
    »Ich kenne das Stück«, belehrte
Frazer.
    »Das Stück?« Nicholas´ Stimme
hallte von den Wänden des Sprechzimmers wider. »Halten Sie dies für einen
Mummenschanz? Ein Schauspiel, das auf einer Bühne spielt?«
    »Ist es das nicht?« fragte
Frazer.
    Nicholas stach mit seinem
Finger in Adeles Richtung. »Fragen Sie doch sie«, sagte er. »Ich erinnere mich
der Worte von meines Vaters Geist: >Die scheinbar tugendsame Königin.<«
    Frazer nahm einen glatten
silbernen Federhalter vom Schreibtisch auf und schob einen blanken Notizblock
vor sich hin. »Wollen wir nicht von vorn anfangen?« fragte er im Plauderton.
»Sie heißen Nicholas Blair und...«
    »Noch solch ein elender
Verräter«, sagte Nicholas mit leiser Stimme. »Ich bin Hamlet, Prinz von
Dänemark, und Ihnen ist das wohl bewußt.«
    »Also gut. Und wer bin ich
dann?«
    »Nun, gütiger Himmel.« Nicholas
starrte ihn verblüfft an.
    »Kennen Sie mich?« fragte
Frazer noch einmal.
    »Vollkommen«, erwiderte
Nicholas höflich. »Ihr seid ein Fischhändler.«
    »Ich bin Dr. Frazer.« Die
Geduld des Arztes schien sich schnell abzunutzen.
    »So wollt´ ich, daß Ihr ein so
ehrlicher Mann wäret«, erwiderte Nicholas kalt.
    »Sie sind also Hamlet, und Sie
wünschen, ich wäre ein Fischhändler«, sagte Frazer scharf. »Wer ist dann diese
Dame hier?«
    Nicholas warf einen flüchtigen
Blick auf Adele und sah dann wieder Frazer an. »Sie ist meine Mutter, die
Königin, Sie Narr«, erwiderte er schroff. »Und dieser da«, er deutete auf mich,
»ist einer der Totengräber — ein Clown von einem Totengräber. Höchst ungehörig,
ein Bursche ohne jedes Gefühl für seinen Beruf!« Er sah mich mit strenger
Mißbilligung an.
    Die Feder in der Hand des
Arztes hing unschlüssig über dem Block. Er räusperte sich ein paarmal, dann sah
er Adele fast flehend an. »Wie lange befindet er sich schon in diesem Zustand?«
    »Seit den letzten beiden Tagen,
Doktor«, antwortete sie zögernd, »aber so schlimm war es noch nie gewesen.
Jetzt ist er ständig so.«
    »Wie vereinbart er das heutige
Alltagsleben mit dem Dänemark zur Zeit Hamlets?« fragte Frazer. Seine Stimme
hatte einen leicht gereizten Klang angenommen. »Wie erklärt er sich Autos und
Telefon und Fernsehen und...«
    »Gar nicht«, erwiderte Adele
einfach. »Er ignoriert eben alles völlig. Das existiert für ihn nicht.«
    Nicholas´ Augen hatten wieder
den leeren Blick angenommen. Er wanderte langsam um den Schreibtisch herum,
dann begann er mit den Fingern beider Hände den Kopf des Doktors abzutasten.
»Ach, armer Yorick«, sagte er und seufzte schwermütig.
    »Yorick?« Frazer blickte Adele
fragend an.
    »Erinnern Sie sich nicht an die
Szene auf dem Friedhof, Doktor?« erwiderte sie höflich. »Der Totengräber gräbt
einen Schädel aus, der dem früheren Hofnarren gehörte. Er hieß Yorick.«
    Frazer riß seinen Kopf heftig
unter Nicholas´ tastenden Fingern fort. »Gehen Sie an Ihren Platz zurück und
setzen Sie sich!« befahl er ungehalten.
    Nicholas wanderte langsam zu
seinem Sessel zurück. »Bin ich ´ne Memme?« fragte er sich in Gedanken
versunken. »Wer nennt mich Schelm? Bricht mir den Kopf entzwei? Rauft mir den
Bart und wirft ihn mir ins Antlitz?«
    Mit gerunzelter Stirn
betrachtete er Frazer, der merklich blaß geworden war, und fuhr dann fort: »Es
ist nicht anders: Ich hege Taubenmut, mir fehlt´s an
Galle, die bitter macht den Druck, sonst hätt´ ich längst des Himmels Geier
gemästet mit dem Aas des Sklaven«, schloß er in finsterem Ton.
    »Setzen Sie sich bitte, Mr.
Blair«, befahl Frazer

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