Hexe auf leisen Sohlen
scharf.
Nicholas ignorierte ihn und
näherte sich langsam wieder dem Schreibtisch.
» Blut´ger ,
kupplerischer Bube!« Er spie diese Worte dem Psychiater ins Gesicht, der mit
offenem Mund dasaß. »Fühlloser, falscher, geiler, schnöder Bube! Oh, Rache!«
Frazer richtete sich in seinem
Stuhl auf. »Zum letztenmal «, befahl er mit strenger
Stimme, »setzen Sie sich!«
Nicholas wandte sich vom
Schreibtisch ab. Seine Augen waren immer noch ausdruckslos und stier ins Leere
gerichtet.
»Und ihr wollt ihr befehlen,
nichts zu trinken?« murmelte er. »Doch das kommt schon zu spät, oh, Büberei!«
Plötzlich fuhr er zu Frazer
herum, unverhüllten Wahnsinn auf seinem Gesicht. »Ha!« schrie er aus Leibeskräften,
»ho! Laßt die Türen schließen, Verräterei! Sucht zu entkommen!« Er stieß seine
Hand in seine Jackentasche, und als er sie herauszog, sah ich ein Messer in ihr
blitzen.
Nicholas näherte sich einen
Schritt dem Schreibtisch, und ich sah Frazer verzweifelt mit dem Daumen auf den
Klingelknopf drücken, der sich unmittelbar unter der Platte befand. »Die Spitz´
ist auch vergiftet«, sagte Nicholas heiser und kam näher. »So tu denn, Gift,
dein Werk. Hier mörderischer, blutschänderischer, verruchter Däne!«
Frazer drückte sich tief in
seinen Sessel zurück. Sein Daumen bearbeitete immer noch den Klingelknopf.
Schweißtropfen liefen ihm die Nase herunter und fielen auf den Notizblock, wo
sie das weiße schimmernde Papier verschmierten.
Die Tür wurde aufgestoßen, und
zwei kräftig gebaute Burschen in weißen Kitteln stürmten in den Raum. Einer
packte Nicholas´ Arme von hinten und preßte sie fest an seinen Körper, während
der andere brutal sein Handgelenk umdrehte, so daß das Messer zu Boden fiel.
Nicholas stieß einen scharfen Schmerzensschrei aus, dann herrschte Stille im
Zimmer.
Plötzlich schlug mir Nicholas´
dröhnendes Gelächter in die Ohren. »War das keine gute Vorstellung, Daniel?«
fragte er triumphierend. »Ich bin überzeugt, es waren fünfzehn Minuten, und Sie
schulden mir tausend Dollar.«
Ich sah ihn mit unverhülltem
Mitleid an und schlug dann, ohne zu antworten, die Augen nieder.
»Sagen Sie doch etwas, Daniel«,
drängte er. »Sie werden sich schon davon erholen, tausend Dollar zu verlieren.
Klären Sie den Mann doch auf!«
Frazer tupfte sich die Stirn
mit einem weißseidenen Taschentuch ab, dann sah er die beiden Wärter an.
»Schafft ihn hier raus!« befahl er scharf. »Laßt ihm eine Weile Zeit, sich
abzukühlen. Er ist gefährlich.«
Sie nahmen Nicholas in die
Mitte, jeder hatte einen Arm gepackt, und beide setzten sie einen vollen Nelson
an, so daß Nicholas sich, den Kopf nach unten, weit vorbeugen mußte, weil seine
Arme ihm hoch im Rücken verdreht wurden.
»Laßt mich los, ihr verdammten
Kerle«, dröhnte Nicholas. »Ich bin so gut bei Verstand wie ihr. Das ganze
Theater war doch nur wegen einer Wette.«
»Bringt ihn fort!« fuhr Frazer
schroff dazwischen.
Nicholas wurde wenig
zartfühlend umgedreht und auf die Tür zugedrängt. »Laßt mich los!« schrie er.
»Sind denn hier alle verrückt geworden? Das war doch nur ein Scherz, selbst
wenn er verdammt dumm war. Daniel, sagen Sie es doch!«
Ich sah Frazer an, zuckte dann
hilflos mit den Schultern und zündete mir eine Zigarette an. Die Tür fiel
hinter Nicholas und den Wärtern ins Schloß, aber wir konnten noch seine
dröhnende Stimme hören, als sie ihn draußen durch den Gang fortschleiften. Wir
hörten sie etwa weitere zehn Sekunden lang. Dann wurde es plötzlich still. Zu
plötzlich.
»Der arme Nicholas«, sagte
Adele mit belegter Stimme. Dann begann sie, leise in ihr Taschentuch
hineinzuweinen.
Frazer kritzelte mechanisch auf
seinem Schreibblock, bis seine Hand wieder völlig ruhig geworden war. Dann
setzte er sich auf und straffte seine Schultern. »Mrs. Blair«, sagte er fest,
»ich fürchte, daß Ihr Mann sich im vorgeschrittenen Stadium der Schizophrenie
befindet.«
»Können Sie etwas für ihn tun?«
fragte sie mit gedämpfter schluchzender Stimme. »Können Sie ihm überhaupt noch
helfen, Doktor?«
»Ich hoffe es«, erwiderte
Frazer. »Aber es wird sehr lange dauern. Für Sie wird es ein Schock sein, Mrs.
Blair, aber in seinem gegenwärtigen Zustand ist er ganz fraglos gefährlich. Ich
bin der Ansicht, daß er sofort in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden
muß.«
»Nein!« schrie sie mit vor
Schmerz ersterbender Stimme.
»Es tut mir leid«, sagte Frazer
sanft, »aber es ist für
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