Hexe auf leisen Sohlen
aufgeben. Für die Magnum hatte ich eine Lizenz,
für den Achtunddreißiger nicht. Niemand konnte nachweisen, daß sie von mir
stammte. Ich hatte sie vor zwei Jahren von einem Mann bekommen, der mit ihr in
der Hand tot umgefallen war und deshalb keine weitere Verwendung für sie hatte.
Irgendein aufmerksamer Mitbürger hatte die Seriennummer schon vorher
herausgefeilt und machte sie damit zu einer hübschen anonymen Waffe für einen
netten anonymen Burschen wie mich, der nur in eine peinliche Situation kommen
würde, wenn er der Polizei erklären mußte, warum ihm nichts anderes
übriggeblieben war, als zur Waffe zu greifen.
Ich richtete mich auf und sah mich
nach allen Seiten um. Alles schien in Ordnung zu sein. Ein bißchen
durcheinander, vielleicht, aber schließlich war es ja auch keine sehr
ordentliche Gesellschaft gewesen, obwohl die beiden Hauptbeteiligten sich als
sehr hilfsbereit gezeigt hatten. Es war rücksichtsvoll von Aubrey gewesen, die
Messerwunde in den Magen zu bekommen, statt ins Herz. Niemand kann mit
unbedingter Sicherheit sagen, wie weit einer mit einer Magenverletzung noch
gehen kann, ehe er tot umfällt.
Ich hatte die Waffe auf Herbie aus
zwei Gründen leergeschossen. Der erste war offensichtlich. Ich haßte ihn wie
die Pest und wollte unbedingt sichergehen, daß er tot war. Der zweite war, daß
jedes Geschoß, das ihn traf, seine Stellung in dem Raum etwas veränderte, ehe
er zu Boden fiel. Dadurch standen die Experten der Kriminalpolizei vor zwei
Toten, die sich beide noch bewegt hatten, nachdem sie tödlich verletzt worden
waren, und es war für sie unmöglich, die genaue Stellung festzulegen, von der
jede einzelne Kugel abgefeuert worden war, wenn nicht sogar noch schwieriger
als unmöglich.
Ich sah wieder auf meine Uhr.
Die fünf Minuten waren fast schon um. Der Wasserhahn war abgedreht worden. Ich
ging schnell zum Badezimmer hinüber und öffnete die Tür. Adele mußte schon in
ihrem Zimmer sein, um sich anzuziehen. Ich sah mich sorgfältig um, fand aber
nirgends einen Blutfleck. Das hätte uns in Schwierigkeiten bringen können, denn
niemand würde bereitwillig glauben, daß einer der beiden verwundeten Kämpfer
den Umweg zum Badezimmer gemacht hatte, um sich die Hände zu waschen, ehe er
starb.
Adele kam aus ihrem Zimmer. Sie
trug ein Leinenkleid und hatte frisches Make = up aufgelegt. Ihr Gesichtsausdruck war angespannt, die
Augen etwas eingesunken. Doch bei einem flüchtigen Blick konnte sie um den
Verlust eines nahen Verwandten trauern oder auf dem Weg zur Apotheke sein, um
sich Natron gegen Sodbrennen zu kaufen.
»Geh jetzt hinunter«, befahl
ich ihr. »Mein Wagen steht vor dem Haus, ein blaues Kabriolett, unmittelbar vor
der Tür. Du kannst ihn nicht verfehlen. Darin wartest du auf mich.«
»Gut«, flüsterte sie.
Ich ließ ihr weitere dreißig
Sekunden Zeit, um einen Vorsprang zu gewinnen. Darauf ging ich zum Telefon und
nahm mit dem Taschentuch den Hörer auf.
»Verbinden Sie mich mit der
Polizei«, verlangte ich, »es ist dringend, es geht um Leben und Tod, machen Sie
schnell.«
Ich wartete, während die
Telefonistin sich beeilte, und sprach dann mit einem Sergeanten von der
Mordkommission.
Zurückhaltung ist eine Kunst.
Zum erstenmal begann ich so etwas wie eine Sympathie für Nickyboy zu empfinden, nicht viel, aber etwas. Die große Versuchung liegt darin, alles
furchtbar aufzubauschen und es dadurch zu verderben, und wenn man das tut,
klingt alles völlig unglaubwürdig.
»Nehmen Sie alles schnell und
richtig auf«, sagte ich hastig. »Mein Name ist Aubrey Blair.« Ich gab ihm die
Adresse an. »Zu mir ist ein Mann unterwegs, der ein Mörder und ein Sadist ist.
Ich bin überzeugt, daß er Vernon Clyde umbrachte, den Regisseur meines Vaters,
vor ganz kurzer Zeit erst. Höchstens vor zwei Tagen. Schicken Sie jemand in
Clydes Wohnung, um nachzusehen. Der Mann heißt Herbie, Herbie
Ich=weiß=nicht=was. Aber er hat immer ein stehendes Messer bei sich und wohnt
bei Floyd Lamb in einer der Dachgarten-Wohnungen des Hotel > Occidental <. Vielleicht ist es ganz gut, wenn Sie auch
da mal nachsehen, wenn Sie schon dabei sind. Aber schicken Sie als erstes
jemand zu mir. Haben Sie verstanden? Dieser Herbie hat sich gestern
abend betrunken, als ich bei ihm war. Er hat einen Haufen komisches Zeug
erzählt, und ich war dumm genug, es ihm heute morgen vorzuhalten, als er nüchtern war. Vor fünf Minuten rief er mich an, um mir zu
sagen, daß er sich auf dem Weg zu meiner Wohnung
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