Hexen-Horror
bildete.
Er mochte es. Er mochte den Himmel. Er mochte die Entfernungen, die fremden Planeten. Und er wünschte sich, all die Gesetze zu begreifen, die dafür sorgten, dass die Planeten nicht aus ihren Bahnen gerieten. Noch schaffte er das nicht, aber Dennis hatte den Ehrgeiz, sich in Mathe und Physik fortzubilden, wenigstens einiges verstehen zu können. Früher hatte er immer geglaubt, dass hinter den Sternen der Himmel war, in dem die Engel lebten und die Menschen beobachteten. Vor allen Dingen die Schutzengel, die die Menschen vor dem Bösen bewahrten. Aber ob das alles stimmte, das war schon die große Frage. Märchen, die ihm die Mutter erzählt hatte, während er auf ihrem Schoß gesessen und durch das Fenster in den Himmel geschaut hatte.
Jetzt war es vorbei. Geplatzt waren die Träume der Kindheit. Wie weggeblasen die Geschichten von Hexen, Feen, Trollen und geheimnisvollen Waldgeistern, die sich in die Welt der Menschen verirrt hatten. Alles war so real geworden, und trotzdem hatte er Weihnachten nicht vergessen und freute sich nach wie vor auf das Fest. Auch wenn der Alte sich wieder besoff.
Der Junge lief auf einen Schatten zu, der keiner war und nur so aussah. Tatsächlich handelte es sich um eine Mauer, die Rückseite eines Supermarkts. An einer Stelle war sie durch eine dicke Wand aus Glasbausteinen unterbrochen. Es gab eine breite Eisentür und eine Rampe davor. Dort hielten die Fahrzeuge an, die neue Waren brachten und hier ausgeladen wurden.
Auf der Rampe glitzerte es hell. Die dort liegende Feuchtigkeit hatte sich in eine dünne Eisschicht verwandelt, auf der Laufen sehr tückisch war.
Weiter vom brannte eine einsam stehende Laterne. Ihr Schein wirkte so kalt wie der eines Sterns.
Mit gesenktem Kopf und raumgreifenden Schritten bewegte sich der Junge weiter. Sein Ziel war ein schmaler Weg, der am Ende des Supermarkts begann und eine Verbindungsstrecke zwischen ihm und den hohen Wohnhäusern darstellte. Wenn er ihn erreichte, war er bald zu Hause, aber noch dauerte es Minuten.
Plötzlich blieb er stehen.
Es hatte ihn erwischt wie ein Schlag gegen die Brust. Dennis ging keinen Schritt mehr weiter. In seinem Kopf tobten plötzlich die Gedanken. Er fühlte sich wie in einer Falle, und er sah, dass im Licht der Lampe die Gestalt stand und sich nicht bewegte.
Das war sie!
Ja, das war die Alte, die er schon oft gesehen und die ihm Angst eingejagt hatte. Auch jetzt stand sie wieder dort und bewegte sich nicht. Aber sie blickte in seine Richtung, und genau das verursachte bei ihm eine Gänsehaut.
Er ging nicht, die Alte bewegte sich ebenfalls nicht. Es war Platz genug, um an ihr vorbeizugehen und sie nicht mal mit einem Blick zu bedenken, doch auch das tat er nicht. Er blieb stehen, kam sich wie versteinert vor und lauschte den eigenen Herzschlag, der sich so überlaut anhörte. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, obwohl die Gestalt nichts tat, um mit ihm Kontakt aufzunehmen. Sie wartete einfach nur so. Vielleicht darauf, dass er endlich weiterging.
So neu war ihm das alles nicht. Er hatte sich auch bei seinem Trainer darüber beschwert. In dieser Nacht kam es ihm jedoch besonders schlimm vor. Da lauerte nicht nur die alte Frau, da ging etwas von ihr aus, mit dem er sich nicht anfreunden konnte.
Er war nichts Gutes. Nicht das, was er als kleiner Junge immer von den Schutzengel geträumt hatte. Diese Person gehörte zu den bösen Wesen, wie er sie aus den Märchen kannte.
Was tun?
Dennis spielte mit dem Gedanken, sich umzudrehen und zurückzulaufen, aber das war auch nicht Sinn der Sache. Er wollte nicht als Feigling dastehen, und bisher hatte die Alte ihm ja nichts getan. Sie hatte ihn nur mit ihren Kopfbewegungen verfolgt, wenn er vorbeigegangen war. Warum sollte das jetzt anders sein?
Es war anders!
Er spürte es. Dennis war sensibel genug. An diesem Abend würde einiges nicht so laufen wie sonst. Er war entscheidend für ihn. Aber er wollte sich nicht fertigmachen lassen, trotz seiner Angst, und er gab sich einen inneren Ruck.
Der erste Schritt. Dann der zweite. Beide noch zögerlich gesetzt. Dennis wusste, dass er sich lächerlich machte, wenn er jetzt so langsam ging und ganz anders als sonst. Er musste an ihr vorbei, und sie sollte nicht merken, wie er sich fühlte.
Es war klar und kalt in dieser Nacht. Dennis spürte die Kälte auf seinem Gesicht, dessen Wangen gerötet waren. Trotzdem merkte er, wie die Hitze in seinem Inneren hochstieg und auch den Kopf erreichte, wo
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