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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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habe er ihn schon selbst ins Gebet genommen. Aber das andere da, vom Teufelspakt und Hexensabbat, da sei er bestimmt unschuldig. Man bedenke, ein frischer junger Bursche, ein Edelmann dazu! Dergleichen sei doch nur etwas für verrufene alte Weiber, wie man in seinen Dörfern auch schon einige verbrannt habe.
    Der Vetter blickte ihn fast mitleidig an, weil er so wenig von dem wisse, was in der Welt vorgehe. Hatte er denn nicht sogar auf seiner abgelegenen Burg gehört, daß binnen eines Jahres in dieser Stadt mehr als hundert Personen Hexerei halber verbrannt worden waren? Und nicht nur verrufene alte Weiber, sondern auch junge, schöne, vornehme und fromme Frauen, Mannsleute sogar und nicht die schlechtesten. Warum sollte da ein sechzehnjähriger Domicellar von fragwürdigem Lebenswandel nicht das gleiche Schicksal leiden?
    Aber da müsse doch ein Richter sein, wandte der Vater verzweifelt ein, da müsse doch Schuld und Unschuld gewogen und ein Urteil gesprochen werden.
    »Sei froh, wenn sie ihm das Gericht und die peinliche Frag’ ersparen! Da ist noch keiner dem Todesurteil entgangen. So aber ist doch noch eine schwache Hoffnung, daß er mit dem Leben davonkommt.«
    »Welche Hoffnung? Ich seh’ keine.«
    »Wenn er zu Kreuze kriecht, alles bekennt, jede Buße auf sich nimmt, dann werden sie ihn wohl verschonen.«
    »Wie kann er aber gestehen, was er nicht verbrochen hat? Das ist doch ungerecht, so etwas zu fordern.«
    »Danach geht es längst nicht mehr. Bei dieser Art Verbrechen ist angeklagt schon verurteilt, und wenn auch das Leben, die heilen Glieder rettet keiner aus einem solchen Prozeß. Dein Bub hat Glück, daß er es nur mit seinen Patres zu tun hat.«
    Er werde sich an den Kaiser selbst wenden, rief Hans Wolfgang, und dabei müsse die Ritterschaft ihn unterstützen. Aber auch davon riet der Vetter ab. »Wir müssen der Majestät oft genug wegen Bedrängung unserer Untertanen in Glaubensdingen und Beeinträchtigung unserer Rechte im Ohr liegen. Wollten wir nun auch noch mit den Schwierigkeiten unserer – verzeih! – ungeratenen jungen Söhne lästig fallen, so möchte die kaiserliche Geduld bei wichtigeren Dingen vorzeitig ermüden. Auch käme jede Hilfe von außen zu spät, glaub mir! Die Hexenjustiz ist schnell, wenn’s drauf ankommt.«
    »Da sagst du’s selbst, daß er in Gefahr ist!«
    »In größerer, als er weiß. Du hast doch von dem jungen Reitzenstein gehört?«
    Hans Wolfgang schüttelte den Kopf. Der Vetter blickte ihn ernst an, fuhr sich mit der flachen Hand an der Kehle vorbei und nickte. Der andere fuhr entsetzt zurück. »Das wagen sie? Aber was soll ich denn tun?«
    »Versuch, mit ihm zu reden oder schreib ihm!« riet der Vetter. »Ermahne ihn zu kluger Demut, zu völliger Unterwerfung! Das allein kann ihn noch retten.«
    Hans Wolfgang sagte gar nichts mehr. Er jagte zurück in die Stadt zum Seminar und verlangte noch einmal, noch dringender, mit seinem Sohn zu sprechen. Wieder wurde er, diesmal noch entschiedener, abgewiesen. Doch wurde ihm erlaubt, einen Brief zu schreiben, falls er den Junker damit zur Einsicht mahnen wollte. Der Brief werde gelesen und nur überliefert werden, wenn sein Inhalt unverfänglich sei.
    Der Herr von Rotenhan war nicht besonders geschickt mit der Feder. Daheim pflegte ihm sein Kaplan hilfreich zur Seite zu stehen. Aber es war keine Zeit zu verlieren. So saß er in einer kahlen Stube des Seminars, in der man ihm ein Schreibpult angewiesen hatte, und versuchte, seine große Sorge zu Papier zu bringen, ohne daß beleidigende Worte gegen die Peiniger des Buben fielen. Was hieß dann »unverfänglich« in einem solchen Brief? Er quälte sich ab, strich durch und begann von neuem. Zuletzt geriet ihm das Schreiben mehr als eine allgemeine väterliche Ermahnung zu Geduld und Wohlverhalten denn als die brennende Warnung, die er dem Sohn hatte in die Ohren schreien wollen. Aber weil er nicht wußte, wie es besser zu machen wäre, gab er den Brief unversiegelt den Patres ab, »zu treuen Händen«, wie sie betonten, und ritt schweren Herzens heim.
    Nie erfuhr er, ob sein Sohn den Brief erhalten und was er bewirkt habe. Aber auch wenn der Junker, wie es wahrscheinlich war, diesen wohlmeinenden väterlichen Brief noch am gleichen Tage erhalten und gelesen hatte, so war seine Sache doch in ein Stadium eingetreten, wo kein noch so kluger Rat sie mehr beeinflussen konnte. Demut und Unterwerfung? Gerade in der letzten Nacht hatte der Junker sich für eine andere Art der

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