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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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hinter ihm, für eine Nacht und einen Tag und noch eine Nacht. Er träumte einen schweren Traum und wußte die ganze Zeit, daß er schon einmal so geträumt hatte. Im Morgengrauen kamen Schritte, die Tür ging auf, zwei Patres nahmen ihn in ihre Mitte und geleiteten ihn die Gasse hinunter. Da stand der Wagen, ein schwarzer Sarg. Schon hielt er wieder auf dem Domplatz. Die Türme standen im Morgenrot, der finstere Torweg hallte von ihren Schritten. Im Kanzleihof stand der Henker mit seinen Knechten. Aber es war ja nur ein Traum, gleich mußte er enden.
    Und er endete. Mit einem Male war etwas da, das in dem früheren Traum nicht gewesen war: Hufschläge auf dem Domplatz draußen, viele, von Soldaten, Offizieren vielleicht, die zum Heer ausrückten. Der Knabe erwachte und schrie laut: »Hierher! Zu mir! Helft mir, helft mir!« Er wurde gepackt, eine Hand auf seinen Mund gepreßt. Er riß sich los und rannte zur nächsten Tür. Sie war verschlossen. Aber es gab noch mehr Türen in dem geräumigen Hof, und der Knabe war flink auf seinen Beinen, die das Kinderspiel noch nicht verlernt hatten. Eine schauerliche Jagd begann zwischen den stummen Mauern und verschlossenen Türen. Endlich wurde der Knabe gepackt und zum Richtstuhl geschleppt, aber es gelang nicht, ihn darauf niederzuzwingen. Da, mitten im Ringen mit den Henkersknechten, traf ihn der Todesstreich. Ohne Laut stürzte er zu Boden. Der Hufschlag war längst verhallt. Niemand hatte die Schreie aus dem Kanzleihof gehört.
    Als die Knechte des Nachrichters, wie es ihr verbrieftes Recht war, dem Gerichteten die Taschen ausleerten, fand sich unter den armseligen Kleinigkeiten, die der Junker bei sich getragen, eine Silbermünze mit einem Heiligenbild darauf, wie fromme Leute sie von Wallfahrten mit heimbringen. Das verschlissene Seidenband daran ließ an einen Mädchenhals denken, der es getragen. Grinsend zeigten die Knechte einander den Fund. Seltsam, daß einer, der sich dem Teufel verschworen, so etwas mit sich herumtrug! Der hatte anscheinend nicht nur mit Hexen Umgang gehabt. Aber was ging das sie an! Sie losten das Silberstück, das einzige aus dem ganzen Nachlaß, untereinander aus und warfen das Band fort.
    Diese schauerliche Begebenheit ging nicht in die Annalen des berühmten Adelsseminars ein. Auch in der Stadt wurde sie damals kaum bekannt. Die edlen Familien wußten zu verhüten, daß der schimpfliche Tod eines der Ihren unter die Leute kam, und die Patres empfanden den Vorfall mit Recht als schwer vereinbar mit den hohen Erziehungsgrundsätzen ihres Ordens. Aber sie konnten nicht verhindern, daß die Geschichte heimlich im Seminar weitergetragen wurde, von Jahrgang zu Jahrgang. Später glaubten manche, im Dachgeschoß hinter einer immer verschlossenen Tür Seufzen und Klopfzeichen zu hören. Einige Lehrer, die drastische Wirkungen liebten, redeten gern in dunklen Andeutungen von der Begebenheit, wenn sie ihre Schüler vor der Macht des Teufels warnen wollten. Es ist nicht überliefert, ob sich die ärgerniserregenden Sitten der Domicellare dadurch besserten. Aber sie wurden vorsichtiger und, wenn sie ertappt wurden, williger zu Reue und Buße, womit denn ein wichtiges Ziel der Erziehung erreicht worden war.
    Erst ein Menschenalter später enthüllte einer der Patres, der damals als junger Lehrer am Seminar die greuliche Hexenzeit miterlebt und vielleicht auch am Schicksal der beiden Junker mitgewirkt hatte, alle Einzelheiten der Begebenheit, als ein wahrhaftig glaubwürdiger Zeuge. Er schrieb sie nieder zur Warnung für die geistliche Jugend, die er immer noch durch den Teufel gefährdet fand. Sein Bericht schließt mit den Worten:
    »Er fiel ohne ein Zeichen des Schmerzes oder eine andere Äußerung der Frömmigkeit zu Boden. Wollte Gott, daß er nicht auch in das ewige Teuer gefallen wäre!«
     
     
    Pater Friedrich an Pater Tannhofer:
    den 17. Juli 1628
    Ihr irrt Euch, hochverehrter Freund und Vater, Ihr irrt Euch sehr. Vergebt mir, wenn ich Euch zum erstenmal so entschieden widersprechen muß! Ihr habt mich streng ermahnt, meinen Oberen williger zu gehorchen, das schädliche Grübeln zu vermeiden, das mich zu Zweifeln, ja zum Glaubensabfall führen könnte. Hochverehrter und lieber Freund, darin kann ich Euch nicht mehr folgen, und wenn Ihr auf dieser Forderung beharrt, so muß ich Euch in aller schuldigen Demut erwidern, daß Ihr nicht wißt, was Ihr von mir verlangt.
    Ja, das ist es: Ihr wißt nicht genug, nicht aus eigener Anschauung, wie es in

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