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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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die Tiefe.
    Gerade hatten die Männer auf dem Grasrain, wo die Mädchen eben noch gerastet hatten, ihre Spur verloren und schwitzend und mißgelaunt die Einsicht gewonnen, daß die beiden nach Art solchen Gelichters sich durch die Luft davongehoben haben mußten. Da hörten sie das Krachen eines stürzenden Baums und etwas wie einen unterdrückten Mädchenschrei.
    Das war im alten Steinbruch, wußten die Ortskundigen sogleich. Wie hatten sie den vergessen können! Natürlich hatten die sich da versteckt, war ja von je ein verrufener Ort und niemals recht geheuer. Sie rannten los, laut schreiend, um sich Mut zu machen, und standen bald an dem steilen Absturz, der ihnen den Weg verlegte. Da konnte keiner weiter, keiner mit nur menschlichen Kräften. Sie starrten in die Tiefe, deren Grund ihnen Buschwerk und Felsvorsprünge verdeckten, Da unten schwankten noch Zweige, kleine Steine und Erdbrocken rieselten vor ihren Füßen hinunter und schlugen tief unten auf.
    »Abgestürzt!« murmelte einer, und der Büttel meinte, sie müßten hinunter, um der Ordnung halber jedenfalls die Leichen zu bergen. Davon wollten aber die Einheimischen nichts wissen. »Daß auch uns der Schwarze holt! Nein, was da unten liegt, tot oder noch lebendig, das gehört ihm.«
    Dann sahen sie den Schuh, einen Mädchenschuh aus dunkelrotem Korduanleder, mit zerrissenen Knöchelbändern. Er lag hart am Felsenrand. Einer griff danach, aber die andern schrien laut: »Nicht! Rühr ihn nicht an!« Wer konnte wissen, welcher Zauber an dem Stückchen Leder hing! Jedenfalls gab dieser Schuh, leicht hingeworfen, wie er da lag, allen sogleich die Vision eines Auffliegens in die Luft, eines gewaltsamen Emporgerissenwerdens. »Ja, die hat wohl wirklich der Teufel geholt!« murmelte sogar der Knebelbart.
    Auf seinen Wink spießte einer der Stadtknechte das zierliche corpus delicti auf die Hellebarde zum Wahrzeichen dafür, daß sie die Spur der geflohenen Hexen verfolgt hatten bis an die Grenze des menschlich Wahrnehmbaren. Mehr konnte niemand von ihnen verlangen. Dann beeilten sie sich, den unheimlichen Ort zu verlassen.
     
     
    In den Stuben des Doktorhauses wuchsen schon die Abendschatten, während draußen über der Gasse der Himmel noch leuchtete, von Schwalben überschwirrt. Veronika schlug die Augen auf. Sie lag auf dem großen Bett in der Schlafstube und sah ihren Mann neben sich sitzen, wie schon bei ihrem Einschlafen. Es lag etwas Unentrinnbares in seinem ruhigen Dasitzen, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Blick auf sie gerichtet. Als er sah, daß sie wach war, fragte er leise: »Woran bist du schuld?«
    Sie antwortete wie aus dem Traum: »Weil ich mich auf das Ehrenwort verließ, weil ich geglaubt hab’, ich könnte ihn zwingen, es zu halten, wie ich ihn zwang, es zu geben.«
    »Du hättest den Bischof gezwungen? Wie denn?«
    »Mit der Macht, die ich von meiner Mutter geerbt hab’, über Menschen und über Dinge.«
    Er zuckte zusammen und beugte sich näher zu ihr. »Ist es das, was ich nicht gewußt haben soll?«
    »Ja. Du wußtest es nicht, weil du es nicht wissen wolltest: daß ich die Gaben einer Hexe habe, wenn ich auch durch Gottes Gnade keine bin.«
    »Was redest du da? Du, die du selbst beinah ein Opfer des Wahns geworden bist!«
    »Ja, Sebastian, du hast mich ihnen entrissen und noch viel mehr getan. Du hast nichts gefragt und mich zur Frau genommen. Warum dich kränken, indem ich dir Dinge offenbarte, nach denen du nie gefragt hast.«
    »Mich kränken! Dafür hast du mich all die Jahre hindurch belogen und so getan, als wärst du eines Sinns mit mir.«
    »Das war ich auch, das bin ich noch. Der Hexenwahn, gegen den du kämpfst, der ist auch mir verhaßt.«
    »Ach, Worte!«
    »Nein, der Kern der Sache! Diese armen Leute, die sie da zu Hunderten verbrennen, die sind ja keine, so viele gibt’s gar nicht. Das Laster aller Laster besteht nur im Hirn der Pfaffen und Juristen. Von den wahren Hexen, den wenigen, die wirkliche Macht haben, wissen die alle nichts.«
    »Von dir das zu hören! Es gibt keine, weder viele noch wenige. Rede keinen Unsinn!«
    »Kein Unsinn, Sebastian! Auch du weißt nichts von ihnen, so klug du bist. Es gibt nun einmal Menschen, Frauen zumeist, die können mehr als andere.«
    »Und du bist eine davon?«
    »Ja, Sebastian – spotte nicht! Das hab’ ich geglaubt bis heut.«
    »Wenn du solche Macht hättest, dann hätte dein Leben, mein’ ich, wohl etwas glücklicher verlaufen müssen.«
    »Ich bin glücklich

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