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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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Augenblick allein war: »Du! Sie sind fort, beide, nirgends im Haus zu finden.«
    »Sie werden zum Krämer gegangen sein oder zum Brunnen.«
    »Nein, nein, dazu sind sie schon zu lange fort. Wo können sie nur sein?«
    Sie blickten einander an mit dem gleichen Gedanken. »Sei still!« sagte Sebastian streng, die Hände auf ihren Schultern. »Hab Geduld und verrat dich nicht! Wenn die hier etwas merken, ist’s bis Mittag in der Stadt herum, und dann ist alles verloren.«
    Sie gehorchte, biß die Zähne zusammen und ging ihm wie gewohnt zur Hand. Als sie einmal entbehrlich war, schlüpfte sie aus der Haustür, lief ein paar Schritte zum Brunnen und weiter, bis zum Krämer um die Ecke, spähte unauffällig die angrenzenden Gassen entlang – vergebens.
    Endlich nahm der Vormittag ein Ende. Der letzte Patient ging. Veronika schloß die Tür hinter ihm ab und wandte sich ihrem Manne zu, Verzweiflung im Blick. »Wohin sind sie gegangen? Was sollen wir tun?«
    Er zog sie in die Stube. »Vielleicht ist es so besser, als wir dachten. Sie haben selbst gehandelt. Der Sabine trau’ ich’s zu, daß sie sich einen Plan gemacht hat. Dann haben sie das Klügste getan, was sie konnten.«
    »Aber wohin? Wohin können sie denn fliehen?«
    »Ja, wohin? Das müssen wir ihrem Glück überlassen, ihrer eigenen Klugheit – und ihrem Schutzengel. Wir können ihnen nicht mehr helfen. Wir dürfen es nicht einmal versuchen, denn wir brächten sie nur in Gefahr.«
    Sie senkte den Kopf und ließ die Arme fallen. »Du hast wohl recht.«
    Sie wandte sich um, ging langsam in die Küche und fing sinnlos irgendeine Arbeit an. Er blickte ihr nach. Die Zuversicht, die er eben noch vorgetäuscht hatte, erlosch auf seinem Gesicht. Er setzte sich an den Tisch, griff blind nach einem Buch und blätterte darin, aber er sah keine Zeile.
    Dann, gerade als es die erste halbe Stunde nach Mittag schlug, klopfte es dreimal an die Haustür, Holz auf Holz. Veronika hörte, wie Sebastian öffnen ging, und trat lauschend in den Flur hinaus. Der Büttel, ein grimmiger Knebelbart, den der Doktor auch schon einmal kuriert hatte, stand draußen mit zwei Stadtknechten und sagte rauh: »Eure Töchter, Herr Doktor! Tut mir leid, aber sie sind dran.«
    »Sie sind nicht daheim«, erwiderte Sebastian ruhig und fuhr fort: »Heute in aller Frühe sind sie gegangen, Gemüse und Beeren zu ernten im Garten von – von Freunden – draußen vor dem Zeller Tor.«
    »Erst heute abend kommen sie wieder!« rief Veronika hastig.
    »Ist das auch wahr? Ungern möcht’ ich Euch das Haus durchsuchen lassen.«
    »Das tut nur!« sagte Sebastian und trat zur Seite, den Eingang freigebend. Er legte dabei, wie zufällig, den Arm um die zitternde Frau.
    Der Büttel zögerte, zog den schon vorgesetzten Fuß von der Schwelle zurück und wischte sich die Stirn. »Euer Wort, Herr Doktor, ist genug«, murmelte er widerwillig. Dann aber, vielleicht der beiden Knechte wegen, geriet er in Zorn, stampfte auf und brüllte: »Daß Ihr mir keinen Fuß auf die Straße setzt! Daß Ihr die Dirnen nicht heimlich warnt oder versteckt! Einer bleibt zur Wache hier.«
    »Wie du willst!« sagte Sebastian, schlug die Haustür zu und stieß den Riegel vor. Herein sollte jedenfalls keiner ohne anzuklopfen. Dann wandte er sich nach seiner Frau um.
    Sie stand bleich an die Wand gelehnt und sagte mit fremder Stimme: »Ich bin schuld, heute mußt du es endlich wissen.« Er hielt ihr die Hand vor den Mund, führte sie von der Haustür weg in seine Stube, drängte sie auf einen Sessel, mischte eine Arznei für sie und hielt ihr das Glas an die Lippen. Sie aber schob seine Hand fort und blickte ihn aus wilden Augen an. »Nein, du mußt es wissen, jetzt, wo es fast zu spät ist. Ich hab’ dich immer belogen.«
    »Schweig, um Gottes willen, sei still!« beschwor Sebastian sie und umschlang sie fest. Wenn der da draußen nur ein paar Worte hörte! »Hast du denn den Verstand verloren?«
    Sie wand sich los und redete weiter, nicht laut, aber schneidend eindringlich: »Du mußt mich anhören. Niemals hast du an Hexen glauben wollen und nicht gewußt…«
    Nun war er gewiß, daß Schrecken und Sorge ihr den Geist verwirrt haben mußten. »Komm mit hinauf in die Schlafstube«, flüsterte er. »Da sollst du mir alles sagen, hier könnte uns jemand hören.« Er war entschlossen, sie mit Gewalt in den Oberstock zu schleppen, wenn es nötig sein sollte, und sie einzusperren, bis sie wieder zur Vernunft gekommen war, zu ihrem klaren,

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