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Hexen in der Stadt

Hexen in der Stadt

Titel: Hexen in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Engelhardt
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Rücken zu kehren. Möge ich den Ort meines schmählichen Unterliegens niemals wiedersehen!
    Dennoch gehe ich reuevoll und im Gefühl eines unverzeihlichen Versäumnisses. Denn hinter mir lasse ich Hunderte von Verlorenen, denen ich zwar keine Rettung, aber doch den Trost des Erbarmens und der Versöhnung mit Gott geben könnte. Dies, ohne mich zu rühmen, vermöchte ich besser als meine Nachfolger, die wie Spürhunde nur darauf abgerichtet sind, reuige Geständnisse und Bestätigungen der vor Gericht gemachten Aussagen zu erpressen. Das weiß ich gut genug. Wie viele noch werden in dieser Stadt nicht nur eines grausamen Todes, sondern verzweifelnd an ihrem ewigen Heil sterben, und ich, der ich berufen war, ihnen zu helfen, ergreife die Flucht!
    Eins tröstet mich ein wenig. Man hat mir die Erlaubnis gegeben, ein Buch zu schreiben. Ich glaube, daß ich Euch, mein Freund, dafür zu danken habe. Denn so dringend und flehentlich ich darum nachgesucht, habe ich doch nicht geglaubt, daß mir, nach allem, eine so große Gnade gewährt werden würde. Aber ich muß es schreiben und würde es, fürchte ich, heimlich tun, wenn es mir nicht erlaubt worden wäre. Anders kann ich nicht Klarheit gewinnen über die Erfahrungen der letzten zwei Jahre und damit meinen Glauben retten. Es wird ein bitteres Buch werden, ein Gewissensbuch, und mehr soll es nach dem Willen der Oberen auch nicht sein. Mir ist auferlegt worden, es für mich allein zu schreiben, auf Verlangen meinen Vorgesetzten Einblick zu gewähren, auf keinen Fall aber anderen oder gar durch Drucklegung der Öffentlichkeit. Mit solcher Einschränkung und unter strenger Aufsicht werde ich an die Arbeit gehen. Mir ist es recht, und ich muß gestehen, daß ich zum erstenmal seit langer Zeit etwas wie Freude empfinde.
    Aber schon trübt sich auch dies bescheidene Glück. Denn auch diese Arbeit ist eine Art Flucht. Wem wird sie nützen außer mir selbst? Welchem der Verfolgten in dieser Stadt wird sie das Leben retten oder auch nur das Sterben erleichtern? Keinem einzigen, und ich vermesse mich nicht, in fernerer Zukunft auch nur die geringste Wirkung von meinem geschriebenen Wort zu erhoffen. Die eigene Seele werde ich retten, sonst nichts und niemanden. Dennoch wage ich es, eine Abschrift der ersten Blätter meines Gewissensbuches hier beizufügen, um Euch Einblick in Geist und Inhalt der geplanten Arbeit zu geben. So scheide ich denn aus dieser Stadt als ein Geschlagener, ja, schlimmer noch, als einer, der den Kampf aufgibt, die Herde verläßt und feige flieht, ein Mietling. Widersprecht mir nicht aus Nachsicht, mein Freund! Betet für mich, auch wenn Ihr mich verurteilt, und bewahrt mir Eure Freundschaft!
    Euer P. Friedrich
     
    Anlage zum Brief vom 14. Mai
    Aus dem Gewissensbuch des Paters Friedrich:
    Zwar weiß ich wohl, daß von manchen bezweifelt worden ist, ob es wirklich Hexen, Zauberinnen und Unholde gibt, und wohl bin ich selbst, da ich in den Kerkern mit verschiedenen dieses Verbrechens Beschuldigten häufig und aufmerksam, um nicht zu sagen wißbegierig, umgegangen, des öfteren so verwirrt worden, daß ich zuletzt kaum noch wußte, was ich von der Sache halten sollte. Doch glaube ich, trotz allem daran festhalten zu müssen, daß es wirklich etliche Zauberer auf der Welt gibt, und nur Leichtfertigkeit und Torheit dies leugnen können. Daß es aber so viele und alle die sind, die seither in Glut und Asche aufgegangen sind, daran glaube ich nicht und mit mir viele fromme Männer. Es wird mich auch so leicht keiner zu solchem Glauben bekehren, der nicht mit mir in vernünftiger Überlegung die Frage prüfen will.
    Man weiß ja, daß es besonders in Deutschland allerorts von Scheiterhaufen raucht, ein überzeugender Beweis dafür, wie sehr man alles für verseucht hält. Das geht so weit, daß Deutschlands Ruf nicht wenig an Glanz eingebüßt hat, und wir unsern Geruch haben stinkend gemacht vor Pharao und seinen Knechten.
    Es sei ferne von mir, daß ich den Obrigkeiten einen Vorwurf machte, weil sie energische Maßnahmen gegen das Verbrechen ergreifen. Nach Gottes Willen haben sie zu befehlen und wir zu gehorchen. Allein so viele sie auch noch verbrennen mögen, sie werden’’s doch nicht ausbrennen, wenn sie nicht alles verbrennen. Sie verwüsten ihre Länder mehr, als jemals der Krieg es tun könnte, und richten doch nicht das allergeringste aus.
    Es ist, um blutige Tränen zu vergießen. Ich habe viel darüber nachgedacht und es zu ergründen versucht. Ich

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