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Hexen: Vier historische Romane (German Edition)

Hexen: Vier historische Romane (German Edition)

Titel: Hexen: Vier historische Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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gelernter Steinmetz, und mein Maestro bildet mich jetzt zum Bildhauer, Architekt und Kunstmaler aus. Er kann nämlich auch malen, er kann wunderschön malen.“
Diesmal unterdrückte Lukas erfolgreich ein Grinsen, und Carlo forderte ihn auf: „Komm, Lukas, ich führe dir unsere Bottega, unsere Kunstwerkstatt, vor. Sie liegt neben dem Sforzapalast, am Rande des Schlossgeländes. Brauchst dich nicht zu genieren, wir empfangen öfter Besucher. Kommst du?“
Lukas war überrumpelt, ihm blieb nichts anders, als zuzustimmen.
Während er dann hinter Carlo her durch die belebten Gassen ritt, hatte er Gelegenheit, ihn eingehender zu betrachten. Hoch zu Ross bot Carlo mit seiner Recken haften Statur ein stolzes Bild - ein klassischer Norditaliener. Wenn er sich nur nicht so affig zurechtmachte, seine bunte Kleidung, vor allem dieser rosarote Gürtel verliehen ihm etwas Weibisches. Aber das war wohl Absicht, er wollte ja weibisch wirken. Jetzt begriff Lukas - der Junge war in seinen Maestro verliebt, ja, daher diese Lobhudelei.
Nachdem sie schließlich auf eine Platanenallee, die Viale Fines, gelangt waren und nebeneinander her ritten, fragte Carlo ihn: „Der nette Schwarzhaarige gestern, ist das dein Bruder?“
„No, mein Onkel.“
„Oh!“, erschrak Carlo und versuchte dann in noch süßlicherem Ton, seine vermeintliche Beleidigung gut zu machen: „Ich dachte das nur, weil ihr euch so ähnlich seht. Aber du siehst natürlich bedeutend jünger aus, ehrlich. Wie alt bist du?“
„Ich? Si, achtzehn. Ich bin gestern achtzehn geworden.“
Darüber lächelte Carlo erfreut: „Dann bist du exakt zwei Monde älter als ich, ich werde im Brachet achtzehn. Nach dem kirchlich-amtlichen Kalender hast du also am zweiten Mai Geburtstag und ich bin am 2. 7. 72 geboren, witziges Datum, nicht? - Wir sind da, Lukas, dieser Palazzo hier.“
„Mei, aber auch“, staunte Lukas und hielt Oskar an.
Die Villa, vor der sie standen, war doppelt so lang wie die üblichen, weiß getüncht, und im Vorgarten lachte die Passanten üppiger Oleander an. Carlo erklärte ihm, die beiden Ateliers nähmen so viel Platz ein und forderte ihn auf: „Komm, der Vordereingang ist dem Maestro und seinen persönlichen Besuchern vorbehalten, wir müssen den Seiteneingang benutzen, direkt dahinter liegt das Malatelier.“
Sie ritten an der lang gestreckten Villa vorbei und bogen auf einen Steinplattenweg ab, der leicht aufwärts zu dem hinter dem Gebäude gelegenen Hofgarten führte. Wieder blickte sich Lukas überrascht um, einen solch riesigen Hintergarten voll saftig blühender Bäume und Sträucher hätte er in dem für seinen Geschmack zu ausgetrockneten Italien nimmer vermutet.
Sie stiegen aus den Sätteln, banden die Pferde an einem Maronenbaum fest, und bevor sie die Stufen zum Nebeneingang erklommen, erklärte Carlo: „Das Malatelier liegt im Hochparterre, und jetzt komm, aber leise, die Artisti arbeiten sicher wieder an ihrem gemeinsamen Gemälde.“
In dem weit ausgedehnten, ganz in Weiß gehaltenen Atelier war es erstaunlicherweise ebenso hell wie draußen. Deshalb entdeckte Lukas am hinteren Ende des Raumes sogleich jene zwei Künstler, die an einem riesigen Gemälde malten, jeder an einer anderen Figur. Und an einem Zeichentisch arbeitete ein dritter Künstler, der Lukas zum Gruß kurz zunickte. Lukas verhielt seinen Schritt, um niemanden zu stören. Darauf zog Carlo ihn weiter ins Atelier hinein und deutete mit einer ausladenden Armbewegung auf die vielen an den Wänden lehnenden und hängenden und auf Staffeleien stehenden Gemälde mit überwiegend Menschengestalten. Deren Anblick verschlug Lukas augenblicklich den Atem.
Hatte Carlo also nicht übertrieben, sein Herr war wahrlich ein Maestro. Die Gestalten waren teils von transparenter Schönheit und wirkten wegen ihrer plastischen Darstellung so lebensecht, als befänden sie sich hier im Raum und hielten in ihrer Bewegung nur mal eben inne.
Bald war Lukas diesen Kunstwerken gänzlich hingegeben. Langsam trat er reihum vor jedes Gemälde, wobei er jetzt deutliche Unterschiede entdeckte, einigen ermangelte es im Vergleich zu wenigen anderen an Intensität. Letztere, die sich alle beisammen rechts der Hintertür in der größten Malecke befanden, waren fraglos die Werke des Maestros. Sie leuchteten, als seien sie von ihrer Hinterseite her von Lampen bestrahlt. Auch waren die meist biblischen Szenen in kein Zeitgeschehen einzuordnen, die Heiligen befanden sich in einem Tempel oder einem Garten mit

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