Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
und wie ihnen Mailand gefalle. Da Alphonse abermals kein Wort über die Lippen kommen wollte, sprang wieder Lukas für ihn ein: „Mailand ist beeindruckend, vornehmlich seine Bauwerke. Aber wir werden die Stadt bereits nächste Woche wieder verlassen, unsere Reise führt nach Florenz.“
Endlich konnte Alphonse mit bewegter Stimme erklären: „Bitte versteht, Maestro da Vinci, dass ich etwas Zeit benötige, um mich an der Unterhaltung zu beteiligen. Eure Gemälde - ich bin noch völlig eingenommen.“
„Sicher“, nickte der Maestro, wobei er sich erhob, „wir räumen Euch diese Zeit ein.“ Dann zu Lukas gewandt: „Kommt, junger Signor, wir setzen uns ein Weilchen in den Garten.“
Draußen führte er Lukas mehrere Schritte vom Haus entfernt zu einer Bank, die unter den voll erblühten Fliederbüschen aufgestellt war, und als sie sich darauf niedergelassen hatten, bat der Maestro: „Helft mir, prego, ich weiß nicht, ob ich Euch mit Signor oder mit Don anzusprechen habe.“
„Wenn Ihr mögt, nur mit Lukas, ich bin zur Hälfte ein Bürgerlicher.“
Darauf gab ihm der Maestro seine Beobachtung preis: „Wobei dein Belleville-, also Künstlerblut bei dir aber eindeutig dominiert. Lukas, ich will gleich zum Thema kommen. Als ich dich gestern im Atelier beobachtet habe, ist mir aufgefallen, dass ungewöhnliches Talent in dir schlummert, und dann hat mir Carlo erzählt, du willst eingetragener Künstler werden. Kurzum, ich wäre bereit, dich als Garzone anzunehmen. Was sagst du dazu?“
Gar nichts konnte Lukas dazu sagen, konnte ihn nur mit offenem Mund und aufgesperrten Augen anstarren.
Darüber brach der Maestro in Lachen aus, legte Lukas dann den Arm um die Schultern und uzte: „Jetzt hast du gekuckt wie ein Kalb.“ Er rüttelte ihn leicht: „Na, nun lach schon!“
Lachen konnte Lukas zwar nicht, aber wenigstens die Lippen etwas breit ziehen.
„Geht doch“, meinte der Maestro, zog seinen Arm wieder zurück und sagte: „Hör zu, Lukas, entscheidend für mich ist einzig, ob du willst, ob du mein Garzone werden willst, alles andere lässt sich regeln. Und jetzt gib mir Antwort.“
„Ich . . Si, Maestro da Vinci, si, das will ich.“
„Wusste ich’s doch“, freute er sich und erkundigte sich dann: „Dein Onkel ist auch dein Vormund, habe ich das vorhin richtig verstanden?“
„Si, ist er.“
„Dann unterbreiten wir ihm jetzt unseren Wunsch.“
Lukas bemühte sich noch immer, sein Glück zu begreifen, als sie sich wieder in die Polster zu Alphonse setzten. Ganz anders der Maestro. Er war ein Mann rascher Entschlüsse, teilte Alphonse ohne Umschweife mit, was sie soeben besprochen hatten und fragte ihn um sein Einverständnis. Der starrte ihn darauf mit dem gleichen Ausdruck an wie vorhin Lukas. Diesmal hielt der Maestro sein Lachen darüber zurück, lediglich seine Mundwinkel zuckten, was aber nur Lukas registrierte. Dann verklärten sich Maestro da Vincis Züge, und er legte Alphonse mit warmer Stimme dar: „Keine leichte Entscheidung für Euch, Don de Belleville, niemand versteht das besser als ich. Denn ich werde demnächst selbst ein Mündel in Obhut nehmen, einen zehnjährigen Waisenknaben, und ich weiß, welche Verantwortung damit verbunden ist.“ Das Mitgefühl tat Alphonse sichtlich gut, weshalb der Maestro im gleichen Ton fortfuhr: „Seid gewiss, dass ich für Lukas die selbe Verantwortung aufbringen würde. Auch erwarte ich keine sofortige Antwort von Euch, lasst Euch mein Angebot in Ruhe durch den Kopf gehen und gebt mir dann Bescheid.“ Er prostete beiden zu: „Auf Euer Wohl!“
Nachdem alle Drei die Gläser wieder abgestellt hatten, entspann sich eine rege Unterhaltung zwischen dem Gastgeber und Alphonse. Wie gestern von Alphonse instruiert, beteiligte sich Lukas nicht daran, obgleich ihn Maestro da Vinci mehrmals zum Mitreden animierte, doch Lukas wollte sich hinterher von Alphonse keinen Vorwurf anhören. Alphonse dagegen fand kein Ende, was wohl daran lag, dass die zwei Männer inzwischen ihre Gedanken über das antike Norditalien und das seinerzeitige Südfrankreich austauschten, ein Thema, das Alphonse seit jeher fesselte, allerdings, wie es Lukas schien, im gleichen Maß auch den Maestro.
Erst nach mehr als einer Stunde besann sich Alphonse und erhob sich mit den Worten: „Nun müssen wir aber aufbrechen. Nochmals grazie für Eure Einladung, Maestro da Vinci, ebenso wie für Euer ehrenvolles Angebot, meinen Neffen als Garzone aufzunehmen.“
„Ihr seid jederzeit in meinem Haus
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