Hexenblut
Schutthaufen, dem ehemaligen winzigen Arbeitszimmer, das sie sich mit zwei anderen wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen geteilt hatte.
»Kari, Liebes, du wirst kaum glauben, was ich geschafft habe«, flüsterte er und strich sanft über den Deckel. Dann klappte er den Laptop auf und schaltete ihn ein. Er hoffte sehr, dass er es ihr bald wirklich zeigen würde. Wenn er sie nur finden könnte!
Eine Stunde später hatte er ihre sämtlichen Dokumente durchgesehen, ihre E-Mails überflogen und sogar ihren Messenger gestartet. Das Adressbuch war zwar da, doch er wusste nicht, nach welchen Namen er suchen sollte. Schließlich begann er, sich durch ihre Lesezeichen zu klicken.
Es dauerte eine Weile, aber er fand die Website, die er suchte. Eine Wicca-Plattform, nicht rasend interessant, doch sie hatte auch ein Forum, in dem Kari aktiv gewesen war. Er fand einen Thread, in dem Kari mit einer Userin namens Circle Lady kommuniziert hatte. Diesen Namen erkannte er wieder, er öffnete ihren Messenger und schickte eine Nachricht an Circle Lady, die aber anscheinend offline war. Also ging er wieder auf die Website und sandte ihr eine Nachricht über das Forum.
Gleich darauf gab der Instant Messenger ein »Ping« von sich, und Hoffnung flammte in Nigel auf. Doch er stellte enttäuscht fest, dass die Nachricht nicht von Circle Lady kam, sondern von jemandem, der sich English Rose nannte. Er tippte eine kurze Antwort.
»Hi.«
Vorwurfsvoll kam es von English Rose zurück: »Du bist nicht Kari.«
»Nein, aber ich suche nach ihr«, gab er ohne zu zögern ein.
»Ich suche nach Circle Lady«, kam ihre wenig hilfreiche Antwort.
»Vielleicht sind sie zusammen irgendwo?«, schlug er vor.
»Göttin bewahre... Kari ist tot.«
Er starrte den Bildschirm an, bis er die Worte erfasst hatte. Es drehte ihm den Magen um, und sein Herz fühlte sich an wie taub. Tot? Er hätte es wissen müssen, hätte es fühlen müssen. Lange saß er starr vor dem Monitor.
Und dann drang das Gejaule der Katzen durch den Nebel seiner Trauer. Es gab Schlimmeres, als tot zu sein. Zum Beispiel tot zu bleiben.
»Bist du sicher?«
»Ja. Tut mir leid.«
»Wie lange schon?«
»Ein paar Tage.«
»Wo ist der Leichnam?«
Er wartete ungeduldig auf die Antwort, denn dies war die wichtigste Frage. English Rose ließ sich Zeit, und allmählich fragte er sich, ob sie es ihm überhaupt verraten würde.
»Ist noch nicht... geborgen worden.«
Er hielt den Atem an und blinzelte.
»Kari«, flüsterte er. »Geh nicht. Geh nicht fort.« Er begriff, dass er mit ihrer Seele sprach. Oder es zumindest versuchte. Glaubte er überhaupt an so etwas?
»Ich glaube, wir müssen miteinander reden«, schrieb er English Rose.
Sie wollte ihm ihre Telefonnummer nicht geben, also nannte er ihr seine Durchwahl im Institut und wartete ungeduldig darauf, dass sein Telefon klingelte. Als er endlich drangehen konnte, überraschte es ihn sogar ein wenig, dass die Anruferin tatsächlich Engländerin zu sein schien.
Da sie sich so geziert hatte, was ihre Telefonnummer anging, wunderte er sich nicht darüber, dass sie offenbar auch sonst nichts preisgeben wollte. Er atmete tief durch. Er musste Kari finden, und wenn diese Frau recht hatte und Kari tot war, durfte er keine Zeit verlieren.
»Ich weiß, dass Kari in großen Schwierigkeiten steckte. Sie ist in einen Krieg zwischen zwei Coven hineingeraten, der halb Seattle in Trümmer gelegt hat«, sagte er.
»London hat er auch nicht gerade gut getan«, erwiderte sie schnaubend.
Nigel schloss die Augen. London also. Er bemühte sich, bei der Sache zu bleiben, strategisch zu planen, sich wie ein Wissenschaftler zu verhalten. »Ich muss ihren Leichnam hierher überführen lassen... für eine ordentliche Beerdigung in ihrer Heimat«, erklärte er.
»Dann sollten Sie sich mit den hiesigen Behörden in Verbindung setzen. Aber vielleicht warten Sie damit lieber noch ein paar Tage.«
»Ach ja, der Leichnam ist ja noch nicht geborgen worden.«
»So ist es.«
Er hörte den Argwohn in ihrer Stimme. Wenn er von irgendwelchen Leichen wüsste und sie der Polizei nicht gemeldet hätte, wäre er wohl auch misstrauisch gegenüber Leuten gewesen, die solche Fragen stellten.
Er beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. So schwach diese Verbindung auch sein mochte, English Rose war sein einziges Band zu Kari. »Also, das Problem ist, dass der Leichnam so gut wie möglich erhalten sein muss. Die Familie wünscht einen offenen Sarg bei der Trauerfeier,
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