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Hexenblut

Hexenblut

Titel: Hexenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil White
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Er ging einen Schritt zur Seite. »Treten Sie ein.«
    Ich musste den Kopf einziehen, als ich sein Haus betrat, da die Decke so niedrig war, dass ich nicht aufrecht stehen konnte. Es stammte erkennbar aus einer Zeit, als die Menschen noch viel kleiner gewesen waren.
    Im Flur hingen Landschaftsbilder. Ich wurde in ein Zimmer geführt, dessen Wände von Bücherregalen gesäumt wurden. Vor dem Kamin stand ein Sessel mit hoher Rückenlehne, auf ihm lag ein aufgeschlagener Band. Hitze schlug mir entgegen, und ich fühlte mich sofort wohl. Es war eine Wärme, bei der man am liebsten sofort einschlafen wollte. Durch die Fenster konnte ich die Felder überblicken, und während ich dem Knistern der Holzscheite im Kamin lauschte, überlegte ich, ob der Pfarrer sich hier wohl Gott näher fühlte als in seiner Kirche.
    »Sie erinnern sich an mich?«, fragte ich.
    »Sie sind der junge Mann, der sich auf dem Friedhof umgesehen hat«, erwiderte er. »Und Sie sind zurückgekommen.«
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, noch ein paar Fragen zu einigen Mitgliedern Ihrer Gemeinde zu beantworten?« Er machte eine Geste, mit der er mich zum Weiterreden aufforderte, also fragte ich: »Rebecca Nurse. Sie sagten, Sie erinnern sich an sie, richtig?«
    Mit einem lauten Seufzer nickt er. »Die junge Frau unten am Bach. Das war keine schöne Sache.« Einen Moment hielt er inne. »Sie war ein reizendes Mädchen, auch wenn sie damals eine wilde Zeit durchmachte, da sie gegen ihre Eltern aufbegehrte. Ihre Eltern waren gute Menschen, allerdings besuchten sie nur selten die Kirche. Und nach dem Mord an Rebecca hörten sie ganz auf, das Gute in Gott zu sehen. Solche Vorfälle lassen sogar mich an ihm zweifeln, wenn ich sehe, dass er etwas so Entsetzliches zulässt.«
    »In welcher Weise begehrte Rebecca auf?«
    »In der Weise, in der alle Kinder aufbegehren. Sie experimentieren, sie versuchen zu schockieren.«
    »Wussten Sie, dass sie sich mit Hexerei beschäftigte?«
    Seine Miene verfinsterte sich. »Sie war eine von Olwens Jüngerinnen.«
    Es überraschte mich, dass Olwens Name praktisch unaufgefordert zur Sprache kam.
    Der Pfarrer musste mein Erstaunen bemerkt haben, denn er fragte mich: »Kennen Sie Olwen?«
    Ich nickte. »Wir sind uns begegnet.«
    »Er ist ein Kind der Sechziger«, ergänzte er und beobachtete mich wachsam.
    »Wie meinen Sie das?«
    »So, wie ich es sage. Er wurde streng erzogen, aber er war ein Jugendlicher, als die Sechziger in Schwung kamen, und er sah sich anders, als seine Eltern ihn sahen. Wir kannten uns vom Sehen, doch so wie ich zu Gott hingezogen wurde, so wandte er sich der Hippieszene zu. Diese Leute, die im Wald tanzten, an Lagerfeuern saßen und Drogen nahmen – nur mit dem Unterschied, dass hier nicht viele Drogen aufzutreiben waren.«
    »Aber etwas ist an Olwen anders«, wandte ich ein. »Er ist ein Nachkomme der Pendle-Hexen, vielleicht betrachtete er das Ganze aus einem anderen Blickwinkel.«
    Der Pfarrer begann zu lachen und schüttelte den Kopf.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
    »Junger Mann«, erklärte er, und es fiel ihm schwer, ernst zu bleiben, »die meisten Menschen hier sind auf die eine oder andere Weise mit den Pendle-Hexen verwandt, oder zumindest behaupten sie das. Diese glücklosen Männer und Frauen seinerzeit stammten aus großen Familien aus dieser Gegend. Die wenigsten der späteren Zuordnungen können mich überzeugen. Die Leute beziehen sich auf den Namen. Nutter, Whittle, Bulcock. Das sind hier gängige Familiennamen.«
    »Dann ist das also keine große Sache?«
    Wieder lachte er. »Sogar ich könnte ein Nachfahre sein, jedoch sind die Aufzeichnungen nicht detailliert genug, um Gewissheit zu haben.«
    »Ich habe den Stammbaum gesehen«, hielt ich dagegen.
    Der Pfarrer rieb sich müde die Augen. »Olwen ist ein Fantast. Den Stammbaum kenne ich, den hat er selbst gezeichnet und beschriftet. Mich würde nicht wundern, wenn Sie ihn nur ein paar Generationen weit zurückverfolgen und schon den ersten Fehler finden. Nur weil ein paar Namen auf einem Blatt geschrieben stehen und durch Linien miteinander verbunden sind, ist man nicht zwangsläufig mit einem dieser Leute verwandt. Sein ganzer Lebensstil ist erfunden. In den Sechzigern war er einfach nur Michael Smith, aber irgendwann wurde aus ihm Olwen.«
    »Und was hat diese Hippiephase aus ihm gemacht?«, fragte ich neugierig.
    Der Pfarrer musterte mich aufmerksam, er hatte die Fingerspitzen aneinandergelegt und machte einen nachdenklichen

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