Hexenblut
ich: »Sie hat Sie im Stich gelassen, als Sie noch ein kleiner Junge waren. Ich weiß das, und ich weiß auch, dass Ihre Großmutter Sie aufgezogen hat. Ist es in Wirklichkeit Ihre Mutter, die Sie umbringen, weil Sie von ihr hören wollen, wie leid es ihr tut, dass sie Sie verlassen hat?«
Dan drehte sich zur Seite und presste die Lippen aufeinander.
»Der redet zu viel – du musst ihm überhaupt nichts erzählen«, ging Tom wütend dazwischen, während er die Drähte an kleinen Scheiben festmachte, die er in die Farbdosen legte. Die zehn einzelnen Drähte band er dann zu einem einzigen zusammen. »Weißt du, was das ist?«, fragte er mich.
»Versuch nicht, mich abzulenken«, gab ich zurück. »Ich unterhalte mich gerade mit deinem Vater.«
»Schau dich um«, sagte Tom. »Das hier ist unsere Show, und wir ändern die Regeln.« Er hielt die Drähte hoch. »Also komm schon, was ist das?«
Ich ging auf sein Spiel ein. »Ich würde sagen, das ist so was wie eine primitive Bombe.«
»Das mit der Bombe ist richtig«, gab er lachend zurück. »Aber die ist alles andere als primitiv. Wenn ich die Drähte mit dem Zünder verbunden habe, genügt ein Knopfdruck, und wir alle sind nur noch Vogelfutter.«
Ich schaute Katie an. Ihre Begeisterung war längst verflogen. Sie beobachtete Tom, dann wanderte ihr Blick über die im Raum verteilten Blechdosen. Wie es aussah, gab es kein Entkommen. »Und wann kommt der große Knall?«, fragte ich und sah dabei weiter Katie an.
»Schon bald«, verkündete Tom. »Da draußen haben sich nur noch nicht genügend Leute versammelt.«
»Warum ergeben Sie alle sich nicht einfach?«, wollte ich wissen. »Gehen Sie raus und ergeben Sie sich, dann werden Sie wenigstens am Leben bleiben.«
Katie näherte sich langsam der Tür.
Tom schüttelte den Kopf. »Nein, wir werden alle sterben.«
»Damit Sie den Moment erleben können, jenen letzten Gedanken. Zu schade, dass du deinem Vater nichts mehr davon erzählen können wirst.«
Lachend deutete Dan auf Laura. »Das ist nicht so schlimm. Wenn es so weit ist, werde ich ihr in die Augen sehen und überlegen, was sie wohl denkt.«
Ich sah nicht zu ihr, sondern versuchte, mich auf Dan zu konzentrieren. Außerdem wusste ich auch so, was Laura denken würde. Sie würde an Bobby denken und daran, dass er ohne sie aufwachsen musste.
Plötzlich bemerkten wir alle einen Lichtblitz, der von der Wand zurückgeworfen wurde. Ein blaues Licht. Und dann hörte ich die Sirenen.
»Ein paar Partygäste mehr«, meinte Dan gelassen und schaute nach draußen.
Tom hob die Drähte hoch und gestikulierte. »Das Feuerwerk kann früher beginnen.«
Katie sah mich an, und ich sah die Panik in ihren Augen. Sie betrachtete die Blechdosen und näherte sich weiter der Tür.
Durch das Fenster konnte ich die Motoren der Polizeifahrzeuge hören, ich sah das flackernde Blaulicht. Wenn Katie die Flucht gelang, würde sie der Polizei vielleicht erzählen, was hier drinnen los war. Zwar vertraute ich ihr nicht, aber das war unsere einzige Chance, also musste ich Tom und Dan weiter beschäftigen und auf diese Weise von ihr ablenken.
»Und wie ist das Ganze abgelaufen?«, wandte ich mich an Dan. »Haben Sie Ihre Opfer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt, oder haben Sie ihnen aufgelauert, sie beobachtet und dann auf den richtigen Moment gewartet?«
»Um welche der Frauen geht es Ihnen?«
Unwillkürlich musste ich an Rebeccas Vater denken. »Keine Ahnung. Beispielsweise die Frau, die Sie an diesem Bach zurückgelassen haben. Eine unschuldige junge Frau auf dem Weg zum Pub.«
Dan reagierte mit spöttischem Lachen. »Unschuldig? Sie war kein bisschen unschuldig.«
»Wieso glauben Sie das?«
»Warum war sie allein unterwegs?«, gab er zurück. »Als ich sie sah, hatte es gerade angefangen zu regnen. Ich hielt an und bot ihr an, sie ein Stück mitzunehmen. Warum auch nicht? Hätten Sie sie durch den Regen laufen lassen?«
»Und wie konnte aus einer Gefälligkeit ein Mord werden?«
Dan machte eine wegwerfende Geste. »Mir blieb keine andere Wahl. Sie wollte Lügen erzählen.«
»Was für Lügen denn?«
»Dass ich sie vergewaltigt hätte«, entrüstete er sich. »Ich hatte ihr geholfen, war nett zu ihr gewesen, aber am Ende wollte sie nur mein Geld und versuchte, mich zu erpressen.«
»Womit?«
»Ich sah sie, ich hielt an, und ich nahm sie mit. Nachdem wir ein Stück weit gefahren waren, fing sie auf einmal an, mich anzumachen. Sie wollte von mir gevögelt werden.« Er
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