Hexenblut
und nach Lauras Armen griff. »Wenn du versuchen solltest, mich anzugreifen, dann habe ich die Schrotflinte in der nächsten Sekunde wieder in der Hand, und deine Freundin wird als Erste sterben.«
Ich rührte mich nicht, sondern sah zu Dan, der mit stolzer Miene seinem Sohn zusah, wie der Lauras Arme an der Rückenlehne festschnürte. Aus einer Schublade holte er Klebeband, das er um ihre Handgelenke wickelte. Ehe ich dahinterkam, was er vorhatte, nahm er aus einer anderen Schublade eine Pistole.
Tom musterte mich und erklärte: »Die ist nicht echt, aber sie dürfte ihren Zweck erfüllen.« Dann lachte er, drückte Laura die Waffe in die Hand und wickelte ein Stück Klebeband darum. »Wie findest du’s?«, fragte er seinen Vater.
Dan nickte zustimmend. »Gefällt mir.«
Als ich Tom musterte, fiel mir auf, dass nichts an seinem Verhalten darauf hindeutete, dass er Laura wirklich töten wollte. Er griff nach der Schrotflinte und stellte sich zu seinem Vater ans Fenster, und da wurde mir etwas klar, das sofort Übelkeit in mir aufsteigen ließ.
Er würde Laura nicht erschießen, das war mir jetzt klar. Stattdessen würde er sie erschießen lassen. Ein Polizist, der die Tür eintrat, um das Haus zu stürmen, war darauf gedrillt, sich blitzschnell umzusehen und nach einem Ziel Ausschau zu halten, auf das er möglicherweise schießen musste. Wer auch immer kommen würde, um uns zu retten, der nahm nicht Laura wahr, sondern eine auf ihn gerichtete Pistole. Die Reaktionszeit würde gerade ausreichen, um die Gefahr für das eigene Leben zu erkennen, und dann würde er auch schon das Feuer eröffnen. Er würde Laura für den Feind halten und sie erschießen. Es würde für die Mathers der letzte Brüller werden.
Laura versuchte, den Kopf zu heben, aber Tom gab ihr eine brutale Ohrfeige auf die geschwollene Wange, und sie ließ den Kopf vornüber auf die Arme sinken. Blut tropfte von ihren geschwollenen Wangen. Ich ballte die unversehrte Faust und spannte mich an, um diesen Dreckskerl anzuspringen, doch das musste Tom bemerkt haben, da er prompt die Schrotflinte gegen ihren Kopf drückte.
»Das solltest du lieber nicht tun«, warnte er mich.
Ich schaute Dan an. »Ich habe meine Wahl getroffen.«
»Welche Wahl?«, gab er zurück.
»Die Wahl, vor die Sie mich gestellt haben. Wer von uns sterben soll, Laura oder ich. Ich habe mich für mich entschieden. Lassen Sie Laura gehen.«
Sie sah mich an und schüttelte schwerfällig den Kopf. Über ihrem Auge entdeckte ich eine Platzwunde.
Dan Mather grinste mich an. »Die Spielregeln haben sich geändert. Sie müssen sich noch ein Weilchen gedulden. Wir werden alle sterben. Heute ist der große Tag.«
»Bastard«, murmelte ich.
Er winkte lässig ab. »Wir haben jetzt keine Zeit für Komplimente. Freuen Sie sich einfach darüber, dass Sie gemeinsam sterben werden.«
86
C arson spähte über die Mauer und versuchte, sich ein Bild vom Grundriss des Hauses zu machen. Sie hatten es zurück bis zur Straße geschafft, Rod forderte mit seinem Funkgerät eine bewaffnete Einheit an, und Joe ging unruhig hin und her, während er überlegte, was sie als Nächstes tun sollten.
Das Haus sah düster und schmutzig aus, ein gewöhnliches Cottage mit Parterre und Dachgeschoss. Der weiße Anstrich war etliche Jahre alt, auf den Fenstern lag eine dicke Staubschicht. An einer Seite befand sich ein baufälliger Anbau. Das Gelände vor dem Cottage war recht steil, aber das Haus stand nicht auf der Hügelkuppe, sondern war in den Hügel hineingebaut, sodass Platz für einen Kellerraum blieb, der ideal wäre, um dort jemanden gefangen zu halten. Diese landschaftlichen Voraussetzungen würden dafür sorgen, dass ein solcher Raum völlig schalldicht wäre.
Carson betrachtete die Fenster. Ein Fenster an der Vorderseite im Parterre, daneben die Haustür, an der Seite ein weiteres Fenster. Vermutlich ein Zimmer mit zwei Fenstern. Im Dachgeschoss waren zwei größere Fenster, eines mit Mattglas, wahrscheinlich das Badezimmer. Insgesamt gab es also fünf Möglichkeiten, von wo aus auf sie geschossen werden konnte.
Rod kam mit vor Schmerzen verzogenem Gesicht zu ihm gehumpelt, um seinen Oberschenkel trug er einen Verband, für den sein Hemdsärmel hatte herhalten müssen. »Die bewaffnete Einheit ist unterwegs«, sagte er. »Sie wird wohl frühestens in zwanzig Minuten hier sein.«
»Kommt auch ein Rettungswagen?«, fragte Carson.
»Das will ich doch verdammt noch mal hoffen«, meinte Rod. »Als
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