Hexenblut
gut drauf, wenn alles nach Plan läuft. Allerdings konnte sie auch sehr gehässig und verletzend werden. Sie hatte ein hitziges Temperament.«
»Viele Leute rasten irgendwann mal aus«, hielt ich dagegen. »Aber die jagen nicht ihrem Freund ein Messer in die Brust. Die beiden hatten gerade miteinander geschlafen. Es kommt mir so unwahrscheinlich vor.«
»Ich war nicht da, als es passiert ist, also kann ich dazu auch nichts sagen«, meinte Katie und klang ein wenig verletzt, so, als würde ich den Bogen überspannen. Schließlich seufzte sie. »Ich hatte noch nie zuvor einen Toten gesehen«, erklärte sie leise und strich mit dem übers Handgelenk gezogenen Ärmel an ihrer Nase entlang, was mir wie eine nervöse Reaktion vorkam. »Er lag da, die Arme hatte er ausgebreitet«, fuhr sie fort, wobei mich überraschte, wie ruhig sie das sagte. »Das Messer steckte in seiner Brust, überall auf dem Bett war Blut. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Blut gesehen.«
»Was haben Sie dann getan?«
Sie lachte verlegen auf. »Das klingt jetzt albern, aber ich rief einen Rettungswagen. Warum, weiß ich nicht. Ich sah, dass Luke tot war, doch das war wie eine automatische Reaktion. Als die Sanitäter kamen, informierten sie die Polizei.« Sie stützte den Ellbogen auf der Wagentür ab und schaute mich besorgt an. »Ich habe Angst, Jack.«
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, gab ich zurück.
»Weil Sie bei mir sind?« Sie rutschte näher und legte eine Hand auf mein Bein. »Sie scheinen ein netter Mann zu sein.« Sie sah mir tief in die Augen, und ehe ich etwas sagen konnte, bat sie mich leise: »Halt mich fest.«
Ich war völlig perplex, sie hatte mich mit ihrem Verhalten überrumpelt. Ich machte die Augen zu und wusste in dem Moment, da ihre Hand über mein Bein strich, dass ich das hier auf der Stelle beenden musste. Ich sah Laura vor meinem geistigen Auge und griff nach Katies Hand.
»Ist schon okay«, sagte sie. »Das bedeutet nichts.«
»Für mich würde es aber etwas bedeuten«, erklärte ich entschieden und nahm ihre Hand von meinem Bein.
»Ich brauchte nur gerade jemanden, der für mich da ist«, murmelte sie verletzt. »Tut mir leid, vergiss es einfach.«
»Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint«, protestierte ich und hatte prompt ein schlechtes Gewissen. »Es ist nur so … na ja …«
»Du willst sagen, du könntest erwischt werden, richtig?« Sie schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, es ist nicht wichtig.«
Dann fasste sie nach dem Türgriff.
»Nicht«, hielt ich sie zu rasch zurück.
Katie drehte sich um und lächelte mich schief an. »Was ist?«
»Ich will die Story zu Ende bringen«, machte ich ihr klar. »Es gibt noch mehr Dinge, die ich wissen will.«
»Dann ruf mich an, damit wir mehr Zeit miteinander verbringen können«, erwiderte sie in einem flirtenden Ton, öffnete die Tür und stieg aus.
Ich beugte mich über den Beifahrersitz und fragte: »Glaubst du, Sarah hat ihn umgebracht?«
Sie bückte sich und steckte den Kopf in den Wagen. »Wer soll es sonst gewesen sein?«
»Wenn Sarah ihn getötet hat und weggelaufen ist«, redete ich weiter, »dann wird sie sich irgendwohin begeben haben, wo sie sich sicher fühlt. Vielleicht an einen Urlaubsort, der ihr besonders gut gefällt. Oder zu Freunden, denen sie nie von Luke erzählt hat. Hat Sarah mal einen Ort außerhalb von Blackley erwähnt, der ihr wichtig war?«
»Jeder in Blackley träumt davon, woanders zu sein als hier.«
»Aber nicht jeder verlässt deswegen auch Blackley«, konterte ich. »Hat sie mal von irgendetwas gesprochen?«
Katie schüttelte den Kopf. »Sie ist irgendwo in der Nähe.«
»Woher weißt du das?«
Sie schaute sich um, als fürchte sie, jemand könnte sie belauschen, dann flüsterte sie: »Sie hat mir geschrieben.«
»Wie meinst du das?«, fragte ich völlig verwundert.
Sie lächelte mich auf eine wissende Art an. »So, wie ich es sage. Ich habe Briefe von Sarah erhalten.«
»In den Zeitungen steht davon kein Wort«, sagte ich.
»Die Polizei behält das für sich, und sie hat mich angewiesen, kein Wort darüber zu verlieren«, erwiderte sie.
Das klang überzeugend. Das war genau die Art von Dingen, die die Polizei für sich behielt, seit die Bänder über den Yorkshire Ripper jedermann in die Irre geführt hatten und Peter Sutcliffe noch mehr Frauen ermorden konnte.
»Was schreibt sie?«, wollte ich wissen.
Katie schüttelte den Kopf. »Ruf mich an, Jack Garrett, und du wirst es vielleicht
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