Hexenblut
Moment waren alle Tätigkeiten eingestellt worden, und alle Blicke waren nur auf Laura gerichtet.
»Kann ich mit Ihnen über den Fall Sarah Goode reden?«, fragte sie.
Ihr entging nicht, wie Carson den Bauch einzog und die Brust vordrückte. Seine Besuche im Fitnessstudio halfen ihm nicht, Gewicht zu verlieren, stattdessen verwandelten sie seinen Körper in etwas Massiges. Er sah zu seinen Kollegen, dann antwortete er grinsend: »Schießen Sie los, Schätzchen.«
Laura warf wieder einen Blick in den Besprechungsraum und wünschte, sie hätte noch gewartet, bevor sie an Carson herangetreten wäre. Die meisten seiner Leute lächelten, doch es war kein freundliches Lächeln, vielmehr warteten sie auf das Donnerwetter – und Laura wusste, für einen Rückzieher war es längst zu spät.
»Mein Freund ist Reporter«, sagte sie. »Die Eltern von Sarah Goode sind an ihn herangetreten.«
Carson verarbeitete das Gehörte, dann jedoch begann er zu grinsen. »Ihr Freund?«, fragte er und wandte sich zu seinen Leuten um. »Wie alt ist er denn? Sechzehn?«
Laura lief rot an, nicht vor Verlegenheit, sondern vor Wut. Sie reagierte aber nicht, da sie wusste, sie würde sonst etwas sagen, das sie später sicher bereuen sollte.
»Erzählen Sie mir mehr«, meinte er lächelnd. »Wie heißen Sie?«
»DC McGanity«, erwiderte sie.
»Vorname?«
»Laura.«
»Okay, Laura. Was wollen Sarahs Eltern von Ihrem Freund?«
»Er soll für sie nach Sarah suchen«, antwortete sie. »Sie haben einen Anwalt aufgesucht, der dann das Treffen arrangiert hat.«
»Das läuft über einen Anwalt?« Carson klang skeptisch. »Und wenn er sie findet?«
»Er wird ihr sagen, dass sie sich stellen soll.«
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Weil er mich darum gebeten hat«, sagte sie.
»Und wenn er Ihnen noch mehr erzählt und Sie dann nicht wieder darum bittet, es mir zu sagen? Werden Sie mich dann auch einweihen?« Bevor Laura darauf reagieren konnte, fuhr er sie in aggressivem Ton an: »Bettgeflüster ist nicht vertraulich. Wenn Sie etwas erfahren, Schätzchen, dann kommen Sie her und sagen es mir. Verstanden?«
»Ich dachte nur, Sie sollten das wissen«, gab sie zurück, während sie sich zutiefst gedemütigt fühlte und ihr Herz zugleich vor Wut raste. Als sie sich abwandte, begann jemand hinter Carson zu lachen, und sofort grinste er breit.
Als sie durch den Korridor zurückging, war sie sich der momentanen Stille deutlich bewusst, der im nächsten Augenblick schallendes Gelächter folgte. Zweifellos war Carson derjenige, der diesen hämischen Chor dirigierte.
Zurück in ihrer Abteilung, sah sie, wie ihr Exhäftling sie herablassend angrinste.
»Wenn Sie ihn geschlagen haben, weil er mit Ihrer Freundin rumgemacht hat«, sagte sie und trotzte energisch seinem Blick, »dann könnte das die falsche Taktik gewesen sein.«
Das Grinsen wurde unsicher. »Wieso?«
»Wir Mädchen sind nicht gern einsam.« Sie kam noch etwas näher. »Ich würde mein Gehalt darauf verwetten, mit wem sie die letzte Nacht verbracht hat.« Sie schaute demonstrativ auf ihre Armbanduhr. »Soll ich sie noch schnell anrufen, damit er Zeit genug hat, um sich aus dem Staub zu machen?«
Zornesröte stieg dem Exhäftling ins Gesicht, noch bevor der Sergeant den Türdrücker betätigte, damit der Ausgang für den Mann offen war. Laura stampfte eilig davon und wurde erst langsamer, als Pete sie eingeholt hatte.
»Von dir könnte ich noch was lernen«, sagte er und ging neben ihr her. »Breit grinsen und gleichzeitig Drohungen ausstoßen.«
»Zu was habe ich mich nur hinreißen lassen«, meinte sie seufzend.
Lachend winkte Pete ab. »Nein, nein, das hat Spaß gemacht.«
Auf dem Weg durch den Flur hörte Laura Gelächter, das von vorn bis zu ihnen schallte. Was kommen würde, ahnte sie, noch bevor Carson durch die Tür kam, gefolgt von ein paar Leuten seines Teams, die lautstark über irgendeinen seiner Witze lachten.
Als sie Pete sahen, verstummten sie, lächelten aber weiter. Carson ging an ihnen vorbei, und Pete nickte ihm zu. »Guten Tag, Sir«, grüßte er ihn, jedoch mehr aus Höflichkeit als aus Respekt vor dem Mann. Carson reagierte gar nicht darauf, sondern sah Laura an und wandte sich dann seinen Leuten zu, um seine nicht vorhandenen Augenbrauen vielsagend hochzuziehen.
Laura drehte sich zur Seite und atmete tief durch, da sie sich noch nicht wieder imstande sah, der Form Genüge zu tun. Als sich die Schritte entfernten, warf sie einen Blick über die Schulter.
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