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Hexenblut

Hexenblut

Titel: Hexenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil White
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stieß immer wieder auf die gleichen Familiennamen, ein Beleg dafür, dass Generation auf Generation hier bestattet worden war. Nirgendwo jedoch fanden sich die Namen, die ich auf einem Blatt notiert hatte.
    Ich sah mich weiter um, als ich auf einmal etwas zu hören glaubte, ein hastiges Rascheln. Ich schaute in die entsprechende Richtung, konnte aber nichts entdecken. Also ging ich weiter und versuchte, möglichst leise aufzutreten, um auf weitere Geräusche lauschen zu können. Ich nahm das Knarren der Äste wahr, die vom Wind leicht bewegt wurden. Das erste Herbstlaub wehte über den Friedhof und verursachte auf dem Kiesweg ein leises Kratzen. Beim Gehen drehte ich mich unvermittelt um, und erneut glaubte ich etwas zu sehen. Aber vielleicht war das auch nur der Sonnenschein, der die Schatten unter den Bäumen tanzen ließ. Die hohen Grabsteine standen genau in meinem Blickfeld, sodass ich angespannt damit rechnete, dass jeden Moment jemand dahinter zum Vorschein kommen würde. Ich sah zur Kirche ein Stück weiter den Hügel hinauf und kam zu dem Schluss, dass mir nichts anderes übrig blieb, als weiterzugehen und abzuwarten, was geschehen würde.
    Nachdem ich einmal über den ganzen Friedhof gegangen war, wusste ich, dass ich nicht allein war. Ich machte einige Fotos und wandte mich zum Gehen, froh darüber, diesen Ort hinter mir lassen zu können. Plötzlich fiel mir ein Grab gleich an der Außenmauer des Kirchenschiffs auf, ein große, flach auf dem Boden liegende Steinplatte.
    Neugierig blieb ich stehen.
    Die Buchstaben waren nur mit Mühe zu entziffern, hatte der Regen im Lauf der Zeit doch die klaren Linien ausgespült. Nur der größer geschriebene Name ganz oben war deutlich zu lesen. Nutter. Darunter waren zahlreiche Namen und Jahreszahlen eingemeißelt, Sechzehnhundertirgendwas, der Rest war kaum noch zu erkennen.
    Der Name war mir von meinen Recherchen vertraut. Alice Nutter war eine der Pendle-Hexen gewesen. War das hier ihr Grab? Dann bemerkte ich das Symbol ganz oben auf dem Stein. Ein Gesicht mit leeren Augen, den Mund zu einem Schrei weit aufgerissen. Genau wie auf Sarahs Stammbaum.
    Als ich hinter mir den Kies knirschen hörte, fuhr ich herum. Ein Mann stand da und beobachtete mich. Er trug einen schwarzen Anzug, um seinen Hals hatte er einen Schal gelegt, er hatte dunkles Haar und einen schwarzen Kinnbart, beides mit ein paar grauen Strähnen durchsetzt.
    »An diesem Grabstein bleibt jeder stehen«, sagte er mit leisen, gemessenen Worten. »Die Leute kommen sogar extra her, um ihn sich anzusehen.«
    Er kam auf mich zu, und gerade als ich vor dem Fremden zurückweichen wollte, rutschte ihm der Schal von der Schulter, und ich konnte den weißen Kragen erkennen.
    »Dann sind Sie für das alles zuständig«, entgegnete ich und machte eine ausholende Geste.
    Er tippte an seinen Kragen, ohne seine kühlen blauen Augen von mir abzuwenden. »Das hier verrät mich immer wieder.« Dann sah er auf den Grabstein und ergänzte: »Es ist nicht das, was Sie denken.«
    »Woher wissen Sie, was ich denke?«
    Das brachte ihn zwar zum Lächeln, aber es änderte nichts an seinem kühlen Blick. »Die meisten Leute kommen wegen der Hexen her«, sagte er. »Ohne die Hexen wäre das hier nur ein ganz gewöhnliches Dorf in Lancashire. Vor allem dieser Grabstein zieht die Touristen an.«
    »Er trägt den Namen Nutter«, gab ich zurück. »Alice Nutter war eine der Pendle-Hexen. Gibt es eine Verbindung zu ihr?«
    »Alice Nutter wurde auf Lancaster Castle als Hexe gehängt«, erklärte er. »Hexerei ist Ketzerei. Glauben Sie ernsthaft, man hätte sie auf geweihtem Grund beerdigt?«
    »Hexerei war Ketzerei, wollten Sie doch sicher sagen. Nicht ist. «
    Einen Moment lang musterte er mich und kniff ein wenig die Augen zusammen. Er hielt die Hände vor dem Bauch gefaltet. »Das ist das Familiengrab der Nutters«, sprach er in ruhigem Ton. »Die Nutters waren damals wohlhabende Leute, aber Alice liegt nicht dort begraben. Nachdem sie in die Familie eingeheiratet hatte, wurde ihr Mann von einer Pechsträhne ereilt.«
    »Ganz oben findet sich ein Emblem«, sagte ich, während ich seinen Gesichtsausdruck aufmerksam beobachtete. »Es sieht aus wie ein Gesicht, das den Mund zum Schreien aufgerissen hat. Ist das normal?«
    Er musste gar nicht erst hinsehen, er wusste, was ich meinte. »Das dient dem Zweck, böse Geister abzuwehren«, antwortete er.
    »Etwas Derartiges findet sich normalerweise nicht auf einem Grabstein.«
    Wieder ein

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