Hexenblut
war Rebecca Nurse, sie wurde vor rund acht Jahren am Fuß des Hügels stranguliert aufgefunden.«
Einen Moment lang dachte Laura nach, dann sagte sie: »Die Liste der Nachfahren wird lang sein. Vierhundert Jahre entsprechen einer Menge Generationen, und der Stammbaum hat sich in der Zeit ganz erheblich in die Breite entwickelt. Das könnten auch Zufälle sein.«
Ich schüttelte den Kopf. »Der Stammbaum, den ich gesehen habe, ist nicht besonders stark verästelt.«
»Wo war das?«
»Im Haus von Sarahs Eltern. Und weißt du was? Ganz oben auf dem Stammbaum fand sich ein seltsames Symbol, vielleicht das Symbol für die Familie. Es sieht aus wie ein Gesicht, das den Mund zum Schreien aufgerissen hat. Bei Sarah zu Hause hängt dieses Symbol ebenfalls an der Wand, gerahmt und nicht zu übersehen.«
Laura schien von meinen Rechercheergebnissen fasziniert zu sein. Sie ging zum Fenster und betrachtete den Pendle Hill. Ich ließ sie in Ruhe. Laura hatte ihren eigenen Kopf, daher musste ich sie ganz allein zu dem Schluss kommen lassen, dass es eine interessante Story war.
»Wer waren diese Hexen?«, fragte sie schließlich und drehte sich zu mir um.
»Vor vierhundert Jahren endeten elf von ihnen wegen Hexerei am Galgen, eine starb im Gefängnis«, erwiderte ich. »Es waren allesamt Frauen hier aus der Gegend. Es hatte mit König James und einem Streit zwischen zwei Familien zu tun.« Als ich König James erwähnte, wirkte sie sehr erstaunt, daher fügte ich sofort an: »Ich weiß, uns scheint es albern, an Hexen zu glauben. Aber zu König James’ Zeiten war das anders. Er konnte sie nicht leiden, schlimmer noch, er hielt sie für den Ursprung allen Übels. Er veröffentlichte eine Schmähschrift über Hexen, noch bevor er den Thron bestieg, und bezichtigte sie, die Schuld am Untergang eines Schiffs zu tragen. Dieser Mann hegte eine große Abneigung gegen Hexen – und was machen die Leute für gewöhnlich, wenn ihr König etwas nicht mag? Sie mögen es dann prompt auch nicht mehr.«
»Des Kaisers neue Kleider?«
»So in dieser Art«, sagte ich. »Die Leute, die dem neuen König imponieren wollten, teilten ab sofort dessen Hass auf Hexen. Sogar Shakespeare.«
»Du spielst auf Macbeth an?«
Ich nickte. »Er schrieb Macbeth, unmittelbar nachdem James zum König gekrönt worden war. Nach allem, was ich heute gelesen habe, schrieb er die Tragödie als Tribut an den König. Banquo war ein Nachfahre von König James, und in einer Szene gibt es eine Parade der Könige, die so wirkt, als würde mit ihr James und allen anderen großen Königen gehuldigt, die vor ihm regiert hatten.«
Laura seufzte. »Ich weiß ehrlich gesagt nicht viel über Shakespeare, aber ich habe ihn nie für einen königlichen Speichellecker gehalten.«
»Ich schätze, man passt sich bei so etwas an sein jeweiliges Publikum an«, erwiderte ich. »Die Hexen in Macbeth sind in dem Stück die Antagonisten, und damit hat Shakespeare exakt die Einstellung des Königs zu dem Thema übernommen. Und meinst du, die Leute hier im Norden unterschieden sich in irgendeiner Weise von den Leuten im Süden? Wer einen Posten innehatte, der konnte die Gunst des Königs genießen, indem er Jagd auf Hexen machte und sie ausrottete.«
»Und so etwas hat sich hier ereignet?«
»Im Großen und Ganzen war es so«, bestätigte ich nickend. »Anfangs waren es nur vier Frauen, aber dann setzten sich die beiden Familien zusammen, um einen Waffenstillstand zu vereinbaren und gemeinsam zu überlegen, wie sie ihre Angehörigen retten konnten. Vielleicht wollten sie bei ihrem berüchtigten Karfreitagstreffen am Malkin Tower auch Rache üben. Zu ihrem Unglück bekam der örtliche Richter von dem Treffen Wind und brachte sie alle hinter Gitter. Vier Monate später stellte man sie auf Lancaster Castle vor Gericht, die meisten von ihnen wurden hingerichtet.«
»Und der örtliche Richter konnte damit beim König punkten«, folgerte Laura.
»So könnte man es ausdrücken.«
Laura rieb sich die Augen. »Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir, und das Ganze wird mir allmählich zu viel.« Sie seufzte. »Können wir die Sache ein bisschen beschleunigen? Erzähl mir, was das alles mit Sarah Goode zu tun hat.«
»Das ist genau der Punkt, der mich ins Grübeln gebracht hat.«
»Oh weh«, stöhnte Laura. »Das ist genau der Punkt, an dem ich anfangen sollte, mir Sorgen zu machen.«
»Vielleicht«, entgegnete ich. »Vielleicht aber auch nicht. Die Pendle-Hexen haben irgendetwas mit
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