Hexenblut
gehen werde. Wenn Sie sich gleich neben mir hinknien, sollten Sie gut sehen können. Übrigens – keine Fotos!«
Ich schlich hinter ihm her an der Wand entlang und fürchtete bei jedem Schritt, ich könnte gegen ein liegen gelassenes Werkzeug stoßen und auf uns aufmerksam machen. Hinter der Tür angekommen, spürte ich, wie unser Atem den engen Raum zu aufzuwärmen begann. Gut eine Stunde lang kauerten wir da und versuchten, keinen Mucks zu machen, da wir in Sorge waren, jemand könnte uns vom Tor aus hören. Also harrten wir in der Dunkelheit aus und warteten ab.
Als auf einmal draußen auf dem Kiesweg vor der Scheune Schritte zu hören waren, zuckten wir beide zusammen, und Lucas legte mir kurz eine Hand auf den Arm, um mich daran zu erinnern, dass wir beide weiter schweigen mussten.
Das Tor wurde knarrend aufgezogen, und im gleichen Moment hörte ich etwas wie einen gleichmäßigen Herzschlag, der die verstreichende Zeit anzuzeigen schien. Auf meinen Armen bildete sich Gänsehaut, und ich spähte in die Dunkelheit, um zu erkennen, wer hereinkam.
Zuerst sah ich eine Flamme. Eine große Kerze ließ mit ihrem Flackern die Schatten am Eingang tanzen, doch von wem sie getragen wurde, konnte ich nicht erkennen. Der Körpergröße und den breiten Schultern nach zu urteilen, schien es sich um einen Mann zu handeln, der allerdings eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte. Erst als ich genauer hinsah, wurde mir klar, dass es sich um ein ganzes, bis fast auf den Boden reichendes Gewand mit einer weiten Kapuze handelte. Der Mann war barfuß.
»Wer ist das?«, flüsterte ich, aber Lucas antwortete nicht.
Der gleichbleibende Rhythmus hielt an, und als die erste Person eingetreten war, entdeckte ich unmittelbar dahinter eine weitere Gestalt, die das gleiche Gewand trug. Bei ihr schien es sich um eine Frau zu handeln, da sie eine zierlichere Statur aufwies. Sie bewegte sich langsamer, womöglich war sie älter. Dann bemerkte ich den Verband an einem Bein und wusste, das war eine der Frauen, die ich tagsüber im Schutz der Mauer beobachtet hatte. Sie trug die Trommel, deren Rhythmus ich gehört hatte, und schlug sie im gleichmäßigen Takt ihrer Schritte, was an einen Todesmarsch erinnerte. Als sie das Pentagramm erreicht hatten, gingen sie am Rand des Kreises entlang weiter, während weitere Personen folgten, die alle in identische Gewänder gekleidet waren.
Jeder von ihnen stellte sich zu einem der großen Kerzenhalter, hielt den Kopf gesenkt und hatte die Hände verschränkt. Die ersten beiden waren bis zum höchsten Punkt des Kreises gegangen, dorthin, wo der schwarze Stoff vor der Wand hing. Die Trommel wurde weiter im gleichbleibenden Rhythmus geschlagen, der in dem Moment verstummte, als der Mann seine Arme hob. In einer Hand hielt er ein Messer mit einer gut dreißig Zentimeter langen Klinge.
In der Scheune herrschte so vollkommene Stille, dass ich glaubte, diese Leute müssten mein Herz schlagen hören. Meine Hände waren schweißnass.
Der Leiter schlug die Kapuze nach hinten. Der Mann hatte graues, langes Haar, das er zum Pferdeschwanz nach hinten gebunden trug. Um seinen Kopf lag ein metallener Stirnreifer sah aus, als bestünde er aus Kupfer. Unter dem Gewand, das er mit einem Gürtel zusammenhielt, zeichnete sich sein Bierbauch ab.
»Das ist Olwen«, flüsterte Lucas mir ins Ohr.
»Wer ist er?«
»Ein komischer Kauz aus dem Ort. Ich dachte mir schon, dass er mit der Sache etwas zu tun hat, allerdings hätte ich ihn nicht für den Leiter gehalten.«
»Gesegnet seid ihr«, rief Olwen und streckte das Messer hoch in die Luft.
»Gesegnet seid ihr«, antworteten die anderen, deren Stimmen in der Scheune widerhallten. Es mussten Frauen und Männer unterschiedlichen Alters sein.
Olwen hielt inne und ließ seinen Blick über die Umstehenden schweifen. Dann stieß er wieder die Klinge in die Luft. »Lasst euch gesagt sein«, rief er mit volltönender Stimme, »dass der Tempel errichtet und der Kreis gebildet werden wird.«
Die Frau, die Olwen gefolgt war, ging mit der Kerze in der Hand um den Kreis herum und zündete alle übrigen Kerzen an. Als sie brannten, schoben die Anwesenden ihre Kapuzen nach hinten. Unter den in der Scheune Versammelten befanden sich ein paar ältere Frauen, ein junger Mann mit Brille sowie mehrere junge Frauen, deren Haare in sanften Locken bis auf ihre Schultern fielen.
»Das ist die Frau, deren Katze umgebracht wurde. Abigail Hobbs«, ließ Lucas mich wissen und zeigte auf die
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