Hexenblut
den Nacken und streckte die Arme in die Luft, wobei die Klinge nach oben wies.
»Willst du den Tod deines alten Lebens fühlen?«, rief er laut.
Die Frau hielt inne und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ja«, antwortete sie schließlich leise.
»Willst du jetzt sterben?«, fragte er.
»Ja«, sagte sie nun mit kräftigerer Stimme. »Ich will jetzt sterben.«
»Wie lautete dein Name?«
»Julie.«
Die alte Frau schlug ihre Trommel lauter.
»Ich rufe dich, Gehörnter Gott«, brüllte Olwen und hielt das Messer fest in der Hand. »Nimm dich dieser Frau im Tod an und bring sie zurück in unser Leben.«
Lucas bewegte sich nach vorn.
»Bist du bereit zu sterben?«, fragte Olwen wieder. Seine Hand zitterte.
»Ich bin bereit.«
Dann ließ er das Messer herabsausen.
Ich kniff die Augen zu, dann hörte ich einen Schrei. Rod warf die alte Tür um und stürmte an mir vorbei, sodass ich die Balance verlor und zu Boden stürzte.
»Sofort aufhören!«, brüllte er und hielt die Arme ausgestreckt. »Keiner rührt sich von der Stelle.«
54
S arah sehnte sich nach etwas Schlaf. Der Herzschlag dröhnte wieder aus den Lautsprechern, diesmal so laut, dass sie ihn nicht einmal dann verstummen lassen konnte, wenn sie die Decke fest um den Kopf wickelte. Die Haut rund um ihre Augen fühlte sich wund an, und ihr Magen schmerzte. Seit dem gestrigen Tag war niemand mehr zu ihr gekommen, und seitdem hatte sie auch nichts mehr gegessen. Sie war schon immer schlank gewesen, aber jetzt konnte sie deutlich ihre Rippen ertasten, und ihr Gesicht fühlte sich ausgezehrt an.
Sie richtete sich auf und befand sich nach wie vor in der Mitte des Kreises. Die Decke lag um ihre Schultern, während sie dastand und anhand der Temperatur die Tageszeit zu bestimmen versuchte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es wieder Abend wurde, da es kälter war als noch vor einer Weile. Sie wusste, sie musste handeln. Erst wenn sie frei war, würde sie die Antwort erhalten, ansonsten war alles zu spät.
Sie ging zu ihrem Feldbett und nahm die Auflage weg. Den Rahmen des Betts bildete ein Metallrohr, ein metallenes Gitter gab der Matratze Halt, doch worauf Sarah es eigentlich abgesehen hatte, das waren die Federn, die an den Enden spitz zuliefen und kleine Widerhaken aufwiesen, mit denen sie im Gestell festgemacht waren.
Schließlich warf sie die Matratze auf den Boden und suchte nach einer Feder, die nicht ganz so straff war, aber sie sahen alle gleich aus. Frustriert rieb sie sich die Augen und versuchte, die Müdigkeit zu vertreiben. Mit einer Hand fasste sie das Gitter und zog daran, damit die Federn am einen Ende nicht mehr so straff waren. Mit der anderen Hand griff sie sich eine Feder und versuchte, sie in die Länge zu ziehen, damit sie sie aus ihrer Befestigung lösen konnte. Vor Anstrengung trat ihr der Schweiß auf die Stirn, doch es waren vor allem ihr nass geschwitzten Finger, die ihr Probleme bereiteten. Auf einmal glitt ihr der Rahmen aus der Hand, und sie schlug ihn sich gegen den Kopf. Sie bemühte sich, einen Schmerzensschrei zu unterdrücken, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Als sie nach unten blickte, entdeckte sie Blut an ihren Fingern. Sie leckte über die Verletzung und wischte die Hände dann an der Decke ab, um sich ihre Arbeit leichter zu machen.
Sie schaute nach oben, murmelte etwas zu sich selbst, um ihre Kräfte zu sammeln, und zog dann wieder an der Feder.
Die wollte ihr abermals entwischen, doch Sarah hielt sie fester umschlossen und biss die Zähne zusammen. Die Feder schnitt sich in ihre Finger, die erneut zu bluten begannen, dennoch zog sie weiter, weil sie unbedingt den Widerhaken lösen wollte. Vor Anstrengung lief ihr Gesicht rot an, doch der Schmerz spornte sie erst recht zum Weitermachen an. Sie holte tief Luft, stieß einen Wutschrei aus und zerrte noch heftiger an der Feder. Dann hörte sie ein leises Ping, und die Feder sprang aus der Halterung.
Sarah atmete ein paarmal tief durch, dann holte sie die Feder heraus und betrachtete das scharfe Ende mit dem Widerhaken. Da das Gitter nun etwas lockerer saß, gelang es ihr mit deutlich weniger Kraftaufwand, noch zwei weitere Federn zu lösen.
Sie musterte die drei Federn in ihrer Hand. Waffen, Werkzeuge, die sich noch als nützlich erweisen konnten. Von neuem Mut erfüllt, stellte sie das Bett gerade hin und legte die Matratze darauf. Dass die Federn fehlten, war nicht zu erkennen. Sie schob sie unter den Rand der Matratze und setzte sich wieder in den
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