Hexenbrand
anschauen müssen, wie der Henker aufgetaucht war und die drei Vergewaltiger gnadenlos getötet hatte. Das war mehr, als ein Mensch verkraften konnte, aber darüber wollten wir jetzt nicht näher nachdenken.
Ich war mit Suko zum Yard gefahren. Auf der Fahrt dorthin hatten wir den Fall noch mal durchgekaut und waren beide zu der Erkenntnis gekommen, dass er noch nicht vorbei war. Wir gingen davon aus, dass der Henker bald irgendwo zuschlagen und das Wort Rücksicht dabei nicht kennen würde.
Wir wollten mit Sir James, unserem Chef, über den Fall sprechen und ihn schon mal darauf vorbereiten, dass etwas Großes auf uns zukommen könnte.
Reni Long war zurück in ihre Wohnung gefahren. Sie wusste nicht, wo das Blockhaus mit den drei Toten stand. Zumindest nicht genau, nur die Umgebung kannte sie, und wir hatten schon dafür gesorgt, dass sie abgesucht wurde. Es war nur eine Frage der Zeit, wann man das Haus fand.
Ich rechnete damit, dass noch sehr viel auf uns zukam, obwohl wir keine Hexen waren. Wir hatten uns den Henker zum Feind gemacht und mussten damit rechnen, dass wir schon bald wieder auf ihn stoßen würden. Das lag einfach in der Luft.
Zunächst mal freute ich mich auf einen tollen Kaffee, den unsere Assistentin Glenda Perkins so einmalig kochte. Pünktlich waren wir nicht im Büro, das klappte fast nie. Dass es bei Glenda Perkins anders war, wunderte mich schon seit Jahren.
Nun ja, es gab eben Menschen, die alles packten.
Wir hatten uns nur um zehn Minuten verspätet. Mit Glenda konnten wir nicht sprechen, weil sie telefonierte. Wir winkten ihr zu, aber der Duft des Kaffees schwebte im Vorzimmer, und so ging ich mit strahlenden Augen auf die Kaffeemaschine zu und gönnte mir die erste Tasse des Tages.
Glenda telefonierte noch immer. Sie sprach mit irgendeiner Person über Gartenpflanzen, was mich schon wunderte, denn Glenda hatte keinen Garten.
Im Büro saß Suko schon auf seinem Platz und las die Mails, die man uns geschickt hatte. Was in der Nacht in London passierte, das bekamen wir zwar nicht alles präsentiert, aber das Wichtigste doch, und deshalb war es gut, wenn wir die Nachrichten lasen.
Das tat Suko schon für mich mit. Nach nicht mal einer Minute hob er den Kopf an. »Da ist was.«
»Bitte?«
Er nickte und sagte: »Es könnte uns interessieren. Gestern Abend, es war schon dunkel, ist in einem kleinen Park eine Frau verbrannt. Man hatte zuerst angenommen, dass sie sich selbst angezündet hat, aber das war nicht der Fall. Ein Zeuge hat eine zweite Gestalt in der Nähe gesehen, und er behauptet, dass sie plötzlich nicht mehr da war – wie vom Erdboden verschluckt.«
»Weißt du mehr?«
»Nein. Eine genaue Beschreibung gibt es leider nicht. Damit müssen wir leben.«
»Das war in einem Park?«
»Ja.«
»Aber nicht im Hyde Park, wo wir waren.«
»Nein, nein, woanders. In West Brompton«, sagte Suko. »Ich bin der Ansicht, dass wir uns darum kümmern sollten.«
»Dann tu es.« Ich war an diesem Morgen zu faul und ließ ihn zum Telefon greifen. Suko wurde einige Male hin und her verbunden, bis er mit der richtigen Person reden konnte. Es war eine Frau mit dem Namen Snyder.
Suko erklärte, wer er war und um was es sich bei seinem Anruf handelte.
Er ließ mich mithören, und so erfuhr ich, dass man die Frau nicht hatte retten können. Aber sie war identifiziert worden, denn nicht alles, was sie bei sich getragen hatte, war verbrannt. Ein Schmuckstück aus Stahl, das um ihren Hals gehangen hatte, hatte das Feuer überstanden, und auf dieser flachen Platte war der Name der Frau eingraviert worden.
»Sie hieß Grace Russell«, wurde Suko gesagt.
Der gab keine Antwort, was der anderen Seite nicht so recht passte, denn sie fragte sehr schnell: »Sind Sie noch dran?«
»Sicher.«
»Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Auch nicht die Adresse?«
Die Frau überlegte kurz. »Ich weiß zwar nicht, was das bringen soll, aber meinetwegen.« Suko bekam gesagt, wo diese Person wohnte, und wurde dann gefragt, ob der Name beim Yard bekannt war.
»Nein, das nicht, Kollegin.«
»Schade.«
»Aber es steht fest, dass sich die Frau nicht selbst angezündet hat – oder?«
»Das ist klar, es gab einen Zeugen. Der hat eine andere Gestalt auf mysteriöse Weise verschwinden sehen. Er hat sie aber nicht beschreiben können. Wir denken auch darüber nach, ob wir den Fall an den Staatsschutz abgeben sollen.«
»Warum denn das?«
»Meinen Sie nicht auch, Kollege, dass eventuell ein terroristischer
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