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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Teil und biss lustlos in den seinen. Nach zwei Bissen warf er die Reste weg und stand auf.
    »Was hast du vor?«, fragte Jeanne.
    Er zeigte zur Festung hoch. »Ich gehe da hinein.«
    Jetzt stand auch Jeanne auf. Sie hob strafend einen Zeigefinger. »Das lässt du schön bleiben, junger Mann! Erinnerst du dich daran, was Bruder Raphael uns aufgetragen hat?«
    Verlegen kratzte Pierre sich am Kopf. »Ja«, sagte er. »Gewiss erinnere ich mich.« Er stocherte mit dem Fuß im Waldboden. »Aber sie sind in Gefahr. Ich weiß, dass es so ist.«
    »Beruhige dich«, sagte Jeanne und packte Pierre an den Schultern. »Sie kommen schon bald wieder heraus.«
    Er riss sich los. »Woher wollt Ihr das wissen?«, rief er. »Habt Ihr etwa ebenfalls die Gabe?«
    »Nein«, erwiderte Jeanne ruhig. »Aber ich …«
    »Dann sprecht nicht so!«, unterbrach Pierre. Er schaute in den Himmel. »Wenn die Sonne über dem Berg steht und Luna und Bruder Raphael nicht wieder an diesem Platze stehen, gehe ich in die Burg. Mein Wort darauf!«
    Jeanne schwieg und setzte sich wieder auf die Decke. Sie blickte zur Sonne. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie hinter der Festung stand.
    Nun sprachen beide kein Wort mehr miteinander. Pierre warf Steinchen den Hang hinunter, und Jeanne starrte unentwegt zur Burg, in der Hoffnung, die Freunde zurückkommen zu sehen.
    Und endlich erreichte die Sonne die Festung. Pierre stand auf. »Ich gehe jetzt«, sagte er. »Mit oder ohne Euch, Madame.« Er wartete keine Antwort ab, sondern machte sich an den Abstieg.
    Jeanne verharrte noch einige Momente. Dann rief sie: »Warte doch! Ich komme mit dir. Warte!«
    Pierre blieb stehen. Als Jeanne bei ihm war, nahm er ihre Hand und half ihr den Hang hinunter. In der Ebene sahen sie sich um. »Niemand hier«, sagte Pierre.
    »Ich habe niemanden erwartet«, gab Jeanne zurück.
    »Warum dann die Furcht?«
    Sie zeigte zur Festung. »Dort oben erwarte ich jemanden.«
    Pierre winkte ab. »Nur keine Angst, Madame. Bin ich doch bei Euch.«
    Jeanne lächelte gequält. »Womöglich ist es das, was mich fürchten lässt.«
    So ganz wusste Pierre die Bemerkung nicht einzuordnen. Also lächelte er ebenfalls und ging weiter.
    Am Fuße von Montségur öffnete Pierre den Mund, um etwas zu sagen. Doch in diesem Augenblick erscholl der Lärm vieler Reiter, die sich aus Westen näherten.
    »Das bedeutet nichts Gutes«, sagte Jeanne. Sie zog Pierre am Ärmel. »Komm! Vielleicht schaffen wir es zwischen die Bäume.«
    »Zu spät!«, rief Pierre. Er sah, wie zwei Dutzend bewaffnete Männer um den Berg herumstürmten. Allen voran Cumanus. »Bei Gott! Lauft, Madame! Lauft!«
    Sie rannte den Pfad zum Wald entlang, aus dem drei Tage zuvor die Mönche gekommen waren. Plötzlich vernahmen sie auch von dort Hufgetrappel.
    »Jetzt ist alles aus«, stöhnte Pierre.
    Jeanne packte ihn und zerrte ihn mit. »Nicht aufgeben!«
    Und da preschten ebenfalls schwer bewaffnete Männer aus dem Wald. Etwa halb so viele, wie Cumanus anführte. Jeanne schlug einen Haken und rannte mit Pierre im Schlepptau zu der Anhöhe, wo sie kurz zuvor noch ausgeharrt hatten. Aber schon in diesem Augenblick war abzusehen, dass sie es nicht schaffen würden.
    In Todesangst starrte Pierre auf die Männer aus dem Wald –
und er verlangsamte seinen Lauf. »Maurice!«, brüllte er. »Maurice d’Aubrac!«
    »Wer?«, fragte Jeanne.
    »Ein alter Freund, Madame«, sagte Pierre, ohne den Blick von den Männern in voller Rüstung abzuwenden. Sie würden noch vor Cumanus und den Soldaten des Marquis bei ihnen sein. »Wir sind gerettet!« Er nahm Jeannes Gesicht in beide Hände und gab ihr zwei dicke Küsse auf die Wangen.
    Als Cumanus die Horde erblickte, verlangsamte er den Tritt seines Pferdes. Er ließ seine Soldaten vorbei und blieb im Hintergrund.
    Wild winkend lief Pierre Maurice entgegen. Der Ritter gewahrte ihn und ritt zu ihm hin. Durch das geöffnete Helmvisier blitzte ein verschmitztes Lächeln. »Mir scheint, wir kommen im rechten Moment, junger Bursche!«
    Pierre schaute atemlos zu Maurice auf. »Nie gab es einen rechteren Augenblick«, keuchte er.
    D’Aubrac zeigte auf Cumanus’ Soldaten. »Wer sind diese Männer?«
    »Sie trachten uns nach dem Leben«, sagte Pierre. »Bitte, helft uns!«
    »Eben aus diesem Grunde sind wir hier.« Er schloss das Visier und gab seinen Männern das Zeichen zum Angriff.
    Der Eindruck, den d’Aubrac und seine elf Männer in den glänzenden Rüstungen und mit Lanzen und Langschwertern

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