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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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hinuntersteigen. Und zwar dorthin, wo der Körper Reinheit erlangt. In diese Bademulde!« Er ließ Luna los und sprang in die Mulde. Unverzüglich begann er, an den Mosaiksteinchen herumzudrücken.
    »Das kann eine Weile dauern«, sagte Luna und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden.
    In der Tat dauerte es eine Weile … bis Raphael schnaufend aufgab. Es waren tausende Steinchen. Und er vermochte nicht zu sagen, ob er auf jedes einzelne dieser bunten Teile gedrückt hatte. So setzte er sich neben Luna und starrte schweigend auf das verteufelte Mosaik.
    »Es ist verzwickt«, sagte Luna und legte tröstend eine Hand auf Raphaels Schulter.
    Er streichelte ihre Hand. »Das ist es.« Dann spürte er, wie sie hochfuhr.
    »Ich weiß, was wir unbeachtet ließen«, sagte sie und stand auf. Sie zeigte auf die Schriftzeichen am Rand der Mulde. »Der letzte Satz. Lies ihn noch einmal vor.«
    Raphael suchte die Stelle, die Luna meinte. Er las erneut: »Suche den Gesalbten, und der einzig wahre Gott wird sich dir zeigen.« Da hob er die Hände zum Himmel, lief zu Luna und küsste sie auf die Stirn. »Mein Kind, du bist wunderbar! Dabei ist es derart simpel. Der Gesalbte ist Jesus Christus. Folglich müssen wir seine Ebenbilder auf dem Mosaik finden. Unter einem davon verbirgt sich der geheime Schalter.«
    Gemeinsam sprangen sie nun in die Mulde und drückten auf jedes Jesusbildnis, das sie fanden.
    Dann die Ernüchterung. Keines der Steinchen ließ sich eindrücken. Sie waren nicht minder fest mit dem Stein der Einfassung verbunden als alle anderen.
    Sie stiegen wieder heraus, und Raphael stampfte wütend mit dem Fuß auf.
    »Ich erkenne den Fehler, den wir gemacht haben«, sagte Luna. Sie schloss halb die Lider. Mit einem Finger spielte sie an ihren Lippen. »Du hast uns erzählt, dass nicht Jesus am Kreuz starb, sondern Petrus. So stand es doch in den alten Schriftrollen.«
    »Eben so stand es dort«, bestätigte Raphael.
    Wieder stieg Luna in die Senke. Sie suchte das Bildnis der Kreuzigung. Als sie es gefunden hatte, wandte sie sich zu Raphael um. »Wer von den Menschen um das Kreuz mag Petrus sein?«
    In diesem Augenblick verstand Raphael, worauf sie hinauswollte. Wieder sprang er in die Mulde. Er beugte sich zu der Darstellung und besah sie eingehend. Er sah die römischen Kriegsknechte neben dem Kreuz, Maria Magdalena, die Mutter des Gekreuzigten und dessen Tante. »Sie weinen nicht«, murmelte er. Er hatte nie zuvor ein Bildnis der Kreuzigung gesehen, auf der Maria Magdalena und Jesu Mutter nicht in Trauer und Tränen abgebildet waren.
    »Wundert dich das?«, fragte Luna. »Schließlich war es nicht Jesus. Doch das ist nicht wichtig. Such weiter!«
    Und Raphael suchte weiter. Da standen Männer und Frauen, die zu dem Gekreuzigten hinaufsahen. Einige von ihnen waren offensichtlich jüdische Hohepriester. Welcher der Männer mochte Jesus sein? Gemäß der Bibel hatte Petrus der Kreuzigung nicht beigewohnt. Allerdings glaubte Raphael nicht, dass Petrus, also Jesus, keinen Platz in diesem Mosaik einnahm. Der unbekannte Meister musste um das Geheimnis gewusst haben. Vermutlich war es gar ein Katharer gewesen, der dies Bildnis einst geschaffen hatte. Doch mit welchem unverfänglichen Zeichen konnte man Jesus tarnen? Raphael besah die Kleidung der Männer. Doch ihm fiel nichts Ungewöhnliches auf. Auch Haltung oder körperliche Merkmale gaben keinen Hinweis. Und da sprang es ihm in die Augen. Dass er darauf nicht sofort gekommen war! Ein Mann, etwas abseits stehend und halb verdeckt von den Hohepriestern, hielt einen Schlüssel in der Hand. Den Schlüssel, der nach christlichen Vorstellungen den Weg ins Himmelsreich öffnete. Er symbolisierte die Macht, die der erste Papst Petrus, und somit alle seine Nachfolger, direkt von Jesus erhalten hatten. Folglich war der Mann, der den Schlüssel hielt, Petrus – ergo Jesus. Mit zitternden Fingern drückte er auf das Mosaiksteinchen, das den Kopf des Trauernden abbildete. Nichts geschah. Er drückte fester – und tatsächlich gab das Steinchen nach.
    Unter ihnen begann es, vernehmlich zu rattern. Ein verborgener Mechanismus ließ den Boden der Mulde langsam absinken. Raphael stieg heraus und half Luna aus der Mulde. Es ratterte noch einige Augenblicke, dann war der Boden gänzlich versunken und gab eine geheime Treppe frei, die in einen dunklen Schacht führte. Nun verstand er Lunas Bemerkung, dass die Mönche sich nicht mehr auf der Burg aufhielten. Sie waren gleich nach

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