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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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und Luna den Weg, den sie gekommen waren, wieder zurück. Es ging vorbei an dem Tunnel, der zur Bademulde hinaufführte, weiter durch verzweigte Katakomben, Gewölbe und durch kleine, halb offene Räumlichkeiten, in denen Götzenbildnisse in Lebensgröße standen.
    Schließlich erreichten sie den Kapitelsaal. Die doppelflügelige Tür stand weit offen. Die gesamte Bruderschaft schien bereits versammelt. Höflich wartete der feiste Dominikaner, bis Raphael und Luna durch die Tür waren, dann schloss er sie hinter sich.
    Raphael starrte mit offenem Mund die Reihen entlang. Der Kapitelsaal war ein gewaltiger Raum im Fels, der an ein römisches Amphitheater erinnerte. Unzählige, die ganze Breite des Saales einnehmende Treppenstufen führten tief hinunter zu einem ovalen Areal. An der Längsseite befand sich ein drei Manneslängen breiter und eine Manneslänge hoher Altar aus Lydit; so schwarz, dass er das Licht der vielen Fackeln zu verschlucken schien. An der Vorderseite des Altars prangte gülden die grinsende Fratze Asmodis. Die Mönche blickten schweigend auf den Altar.
    Was bedeutet das alles, fragte sich Raphael. Und wo in Gottes Namen war Henri?
    Es war Henri le Brasse selbst, der Raphaels stille Frage beantwortete. Aus einer geheimen Tür hinter dem Altar schob sich Henris hagere Gestalt aus der Wand. Gekleidet in eine schwarz glänzende Robe, auf dem Haupt eine Tiara in derselben Farbe, stieg er drei Stufen zum Altar hinauf und betrachtete die Reihen seiner Gefolgsleute. Dann straffte er seinen Körper und sprach: »Meine lieben Brüder. Wieder ist ein Jahr vergangen, seit wir uns an diesem heiligen Ort versammelten. Für einige von euch, liebe Brüder, ist es die erste Zusammenkunft. Andere können nicht mehr bei uns sein, weil unser Herr Asmodi beschloss, sie in sein Reich zu holen, damit sie dort neue Aufgaben übernehmen. Beten wir für sie in der Gewissheit, dass sie allzeit bei uns wachen und unser Schicksal lenken.« Er schloss die Augen, senkte das Haupt und faltete die Hände. »O Asmodi, schau auf Deine Diener! Adu En I Ba Ninib! Pirik Ba Agga Ba Es! Ekhi Asaru! Ekhi Azag-Toth! « Er verneigte sich und küsste den Altar.
    Die Brüder neigten mit gefalteten Händen den Kopf und sprachen ihrem Meister nach.
    »Es war ein gutes Jahr für die Bruderschaft«, sprach Henri weiter, »Größe, Macht und Einfluss gedeihen wie auf den Weiden Baels, wo die Toten ruhen, um am Heiligen Tage zum Kampf gerufen zu werden.«
    Während Henri weitersprach, dachte Raphael über das Gesagte nach. Wer war Bael? Vermutlich einer der vielen Götzen, die es hier gab. Und welcher Kampf sollte am Heiligen Tage stattfinden? War etwa mit dem Heiligen Tag der Jüngste Tag gemeint? Würden an diesem Tag Asmodis Anhänger gegen die himmlischen Heerscharen in den Krieg ziehen? Raphael grübelte und grübelte.
    Die Tür hinter dem Altar öffnete sich erneut. Zwei Mönche trugen eine reich verzierte Truhe herein, auf deren Seiten das vergoldete Abbild der Asmodi-Fratze prangte. Feierlich hoben sie den Deckel der Truhe hoch, legten ihn daneben ab und entnahmen ihr drei Schriftrollen. Raphaels Herz drohte auszusetzen. Es gab für ihn keinen Zweifel: Dies waren die Schriftrollen mit der letzten Botschaft Jesu.
    Henri nahm die Rollen entgegen, entrollte sie und befestigte sie an der Stirnseite des Altars. »So zeigt denn nun euer Antlitz«, rief Henri, »und lasset uns singen.«
    Die Mönche streiften ihre Kapuzen zurück, senkten ihr Haupt mit geschlossenen Augen und stimmten einen choralen Singsang an.
    Entsetzt starrte Raphael zu Luna, die ihren Kopf leicht anhob und ihm unter der Kapuze zublinzelte. Raphael bedeutete ihr, Ruhe zu bewahren und vorerst nicht auf Henris Befehl zu reagieren. Die Enttarnung mitten unter diesem teuflischen Haufen wäre tödlich. So faltete er wieder die Hände, fiel in den Singsang ein und betete, dass sich niemand nach ihnen umdrehen möge.
Die Raubritter kommen
    D ieses Warten, dass irgendetwas passiert, zermürbt mich«, sagte Pierre und warf ein Stöckchen gegen einen Felsen unter ihnen.
    »Uns bleibt nichts anderes übrig«, entgegnete Jeanne.
    »Geduld gehört nicht zu meinen Stärken.«
    »Ich kenne dich gut genug, um das zu bestätigen«, lachte Jeanne. Sie zog einen halben Laib Brot und ein Stück Käse aus ihrem Beutel und reichte beides Pierre. »Magst du?«
    Nur widerwillig griff Pierre nach Brot und Käse, holte ein Messer aus seiner Tasche und schnitt je zwei Scheiben ab. Er gab Jeanne ihren

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