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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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du wohlauf bist.«
    »Ein Umstand, den ich allein Euch und Euren Freunden verdanke.«
    Mit einem Knicks und einem Lächeln nahm Luna den Dank an.
    D’Aubrac räusperte sich. »Sagt mir, wie kann ich mich erkenntlich zeigen? Braucht ihr Geld? Dann nehmt aus den Truhen, so viel ihr tragen könnt. Nehmt es.«
    »Hab Dank für deine Großzügigkeit, lieber Maurice«, sagte Luna. »Geld haben wir genug.«
    »Womit kann ich Euch dann dienen, Mademoiselle?«, fragte d’Aubrac. »Sagt es, und es wird geschehen.«
    Das kindliche Lächeln in Lunas Gesicht verschwand. »Alles, worum ich dich bitte, ist ein Gefallen.«
    »Was immer es ist. Sprecht es aus.«
    »Wenn der Hahn in der Nacht kräht«, sagte Luna, »am Morgen der Bäckersmann schläft, am Mittag die Eule stirbt und am Nachmittag die Sonne verschwindet, musst du mit deinen Männern aufbrechen. Reite drei Tage und drei Nächte gen Süden, bis der hässliche einsame Mann dir winkt. Sodann wende dich nach Westen. Noch vor dem letzten Sonnenstrahl des Tages erreichst du die alten Mauern auf dem hohen Berg, wo der Teufel lebt. Dort sehen wir uns wieder.«
    »Ich … ähem … ich weiß nicht, ob ich das verstehe, Mademoiselle.«
    Nun trug Luna wieder ihr Lächeln voll Liebe und Güte. »Du wirst verstehen, wenn der Tag gekommen ist.«
    D’Aubrac nickte ihr zu, bedachte auch Pierre und Amicus mit einem stummen Gruß und führte anschließend sein Pferd zu seinen Männern. Er hob die Hand. »Los, Männer!« Ein letztes Mal wandte er sich zu Luna um. Dann setzte der Tross sich langsam in Bewegung.
    Luna und ihre Freunde beschlossen, ein reichliches Frühstücksmahl zu sich zu nehmen. Anschließend gingen sie in ihre Kammern, packten ihr Hab und Gut zusammen und legten dem Wirt ausreichend Münzen für die Zeche hin.
    Schnell verschwand das Gasthaus hinter ihnen. Sie ritten vorbei an trostlosen, schneebedeckten Feldern und Hängen. Bei einem Bauern kauften sie Proviant ein. Dann verließen sie die Stadt.
    Pierre hing seinen Gedanken nach. Plötzlich sah er am Wegesrand kleine grüne Tupfen durch den Schnee brechen. »Schaut!«, rief er seinen Freunden zu. »Schneeglöckchen! Endlich ist der Frühling gekommen!« Er sprang aus dem Sattel. Die ersten Schneeglöckchen des Jahres wollte er Luna schenken.
    »Nein«, hielt Luna ihn zurück. »Lass sie bitte stehen. Sie sollen allen verkünden, dass die dunkle Zeit vorüber ist. Wer zuerst in Chartres ist!«, rief sie und trat ihrem Pferd kräftig in die Flanken.
    Kopfschüttelnd blickte Amicus zu Pierre hinüber. Der aber nahm die Herausforderung an. Er schwang sich in den Sattel und preschte jauchzend hinter Luna her.
    »Kinder«, murmelte Amicus. Dann aber grinste er breit und gab seinem Pferd die Sporen.
Im Palast des Papstes
    S ie durchquerten die grüne Landschaft der Bourgogne und das karge Land der Auvergne, ohne einen Verfolger zu entdecken. Der düstere Mönch, der Pierre auf der Fähre so in Schrecken versetzt hatte, blieb wie vom Erdboden verschluckt.
    Immer wieder wechselte Luna die Richtung. Allein, der Grund blieb Pierre und Amicus verborgen. Die Antwort erschien im Moment auch nicht wichtig. Nur Lunas Sicherheit zählte. Und diese Aufgabe oblag ihm und Amicus. Obwohl er ab und zu dachte, dass es Luna war, die für seine und Amicus’ Sicherheit sorgte. Wie auch immer. Es war unbeschreiblich schön, so nah bei ihr zu sein. Ihre Stimme zu hören, wenn sie ihn am Morgen mit den Vögeln weckte. Und zu sehen, wie sie stolz und unnahbar auf ihrem Pferd saß. Mit ihr über dieses und jenes zu schwatzen, mit ihr zu lachen und zu schweigen. All das genoss Pierre in jedem einzelnen Augenblick auf ihrer Reise. Und er war Gott dankbar, dass er dies erleben durfte.
    Dann endlich, nach dreißig Tagen, erreichten sie ihr Ziel.
    Avignon, die Stadt am Ufer der Rhône, erhob sich wuchtig auf einem schneeweißen Kalksteinfelsen. Sogar hier, auf dem Pont-Saint-Bénézet, ein Stück über dem Fluss, erkannte man Avignons Pracht. Die Stadt, die Eigentum des Herzogs von Anjou war, jedoch zum Heiligen Römischen Reich gehörte, bestach durch mächtige gotische Bauwerke. Alle sieben Kirchen von Avignon waren von weitem zu sehen. Darunter die kolossale Kathedrale Notre-Dame-des-Doms und der gewaltige Palast des Papstes. Umgeben war Avignon von dicken, hohen Mauern, die einen hervorragenden Schutz vor Angreifern boten.
    Es war für die drei Gefährten auf der Brücke nicht zu übersehen, dass weitaus mehr Menschen die Stadt verließen als

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