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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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verloren.«
    Amicus nickte. »Gut, gut. Und weiter?«
    »Sobald die Kerze auf dem Tisch erlischt«, fuhr Luna fort, »ist der Augenblick gekommen. Nun liegt alles bei dir, lieber Amicus. Nimm ein Messer, öffne leise die Tür und geh in die Kammer. Dort wirst du den Mörder finden. Zögere nicht, sondern wirf dein Messer, bevor er sein Werk vollenden kann.«
    Wieder nickte Amicus. »Ich habe verstanden.«
    »Wo gedenkt Ihr zu ruhen?«, fragte Pierre Luna.
    »Nur zwei Kammern weiter«, gab sie zurück. »Jedoch kann ich euch nicht zu Hilfe kommen. Ihr seid auf euch allein gestellt.«
    Sie begaben sich in das obere Geschoss. Vor einer Kammer blieb Luna stehen. »Hier schläft Maurice«, sagte sie und deutete auf die Tür. »Hier ist eure Kammer.« Sie küsste Pierre und Amicus auf die Stirn. »Viel Glück euch beiden. Vergesst die Kerze nicht. Sobald ihr Licht erlischt, müsst ihr handeln.« Sie lächelte zuversichtlich und ging den Gang hinauf, wo sie in eine Kammer entschwand.
    Amicus atmete tief durch. »Wohlan, nach dir.« Er zeigte auf die Tür.
    Die Kammer war prunkvoll ausgestattet. Wahrlich eines Fürsten würdig. Zwei große Fenster ließen den Mondschein herein, davor standen zwei riesige Betten mit prall gefüllten Kissen und Bettdecken, die zu einem langen, wohligen Schlaf einluden. Ein massiger Schrank, reich verziert und aus edlen Hölzern gearbeitet, stand neben dem Kamin. Das Holz knisterte und knackte, und es roch nach Zedernholz; es war wundervoll warm und behaglich.
    In voller Kleidung warf Pierre sich auf das weiche Bett. Er reckte und streckte seine Glieder. »Hier gefällt es mir.«
    Aus dem Kamin fischte Amicus ein brennendes Holzscheit und zündete damit die Kerze auf dem kleinen Tisch zwischen den Betten an. Dann warf er das Scheit zurück ins Feuer und setzte sich nachdenklich auf die Bettkante.
    Irgendwann ertrug Pierre die Stille nicht mehr. »Amicus?«
    Amicus sah auf. »Ja, was ist?«
    »Wer ist Eve?«
    »Das geht dich nichts an!«
    Pierre war gekränkt und drehte sich auf die andere Seite.
    »Entschuldige«, sagte Amicus nach einer Weile. »Ich spreche nicht gern von Eve, und es ist mir nicht recht, dass Luna ihren Namen kennt.« Er zögerte. »Nun, offenbar weiß sie weit mehr als nur ihren Namen.«
    Pierre wandte sich Amicus wieder zu.
    »Eve war mein Weib«, gestand Amicus. »Vor vielen, vielen Jahren. Nicht nur mein Weib – sie war weit mehr als das. Gefährtin, Vertraute, Mutter, Schwester, Tochter, alles in einer Seele vereint. Vor allem aber war sie der beste Freund, den ein Mann sich nur wünschen kann.« Er lachte auf. »Herr im Himmel, sie vertrug mehr Bier als ein ganzes Ritterheer samt Knappen!«
    Nun lachte auch Pierre. »Sie muss eine wundervolle Frau gewesen sein.«
    »Bei meiner Seele, das war sie! Ich war damals ein rechter Galgenstrick. Vor nichts und niemandem machte ich Halt. Keine Schänke, in der ich nicht Gast war, keine Rauferei, vor der ich zurückschreckte. Ich ließ jeden meine Verachtung spüren, beleidigte alle, die mir nicht passten. Bis zu dem Tag, der mein Leben veränderte.«
    Gespannt richtete Pierre sich auf.
    »Es war ein heißer Sommerabend«, fuhr Amicus fort. »Seit Wochen hatte es nicht geregnet, und die Hitze verbrannte einem den Verstand. Bier, Wein und Schnaps erledigten dann den Rest. Eve und ich saßen in einer Schänke am Rande Beaunays, wo wir lebten. Wir tranken, als wäre es der letzte Tag in unserem Leben, und ich würfelte mit vier bayerischen Landsknechten. Der Einsatz ging schnell in die Höhe, und bald lag unser gesamtes Geld auf dem Tisch. Da merkte ich, wie die Burschen mich betrügen wollten. Ich stellte sie zur Rede, woraufhin sie mich einen Lügner schimpften. Ein Wort gab das andere, und schon war die Prügelei im Gang. Zwei Kerle schlug ich nieder, ein dritter zückte plötzlich ein Messer. Der Wirt, der ein guter Freund war, griff ein. Er wollte dem Burschen das Messer entreißen, doch der war schneller und stach dem guten Mann das Messer in die Brust. Zorn und Hass überwältigten mich. Ich kann mich nur noch erinnern, dass ich beiden das Genick brach und dann Eve packte, um sie in Sicherheit zu bringen. Wir standen im Türrahmen, einen Fuß schon auf der Straße, als sie neben mir zusammenbrach. Ich verstand erst nicht, was mit ihr geschehen war, aber dann sah ich das Messer in ihrem Rücken. Da begriff ich, dass ich einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte, denn ich hatte die beiden anderen völlig vergessen. Einer von

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