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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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seinen Hals. Als du bei ihm warst, konnte er nicht mehr sprechen, aber er lächelte, als er deine Wangen streichelte. Er hat dich sehr geliebt.«
    D’Aubrac riss die Augen auf. »Woher …«, stammelte er.
    »In Calais«, fuhr Luna fort, »bist du in englische Gefangenschaft geraten, aus der deine Männer dich nach drei Tagen befreiten. Englische Pikeniere entdeckten deine Flucht und schlugen Alarm. Charles Treignat, Hugo de Roches und Roger Turenne blieben zurück, um dich zu retten. Du hast sie nie wieder gesehen.«
    D’Aubracs Gesicht war weiß wie Schnee, sein Mund halb geöffnet, die zitternden Lippen waren nicht in der Lage, auch nur eine Silbe zu formen. »Glaubst du mir jetzt?«, fragte Luna. Sie wartete nicht auf d’Aubracs Antwort, sondern wiederholte: »Einer deiner Männer will dir heute Nacht den Bauch aufschlitzen, um an dein Gold zu kommen.«
    »W – w – wer?«, stotterte d’Aubrac.
    »Basile Matour.«
    »Das ist nicht möglich!«, rief er aus. »Nie und nimmer!«
    »Er hat dir nie verziehen«, sagte Luna weiter, »dass Suzette dich erwählt hat und nicht ihn. An dem Tag, an dem du sie zum Weibe genommen hast, hat er geschworen, dich zu töten. In wenigen Stunden schleicht er in deine Kammer und setzt sein Messer an deinen Hals.«
    »Das kann nicht sein«, flüsterte d’Aubrac.
    »Entweder du wachst morgen früh auf«, sagte Luna, »oder du schläfst bis in alle Ewigkeit. Es liegt allein bei dir.«
    Kopfschüttelnd stand d’Aubrac auf. »Ich – ich kann das nicht glauben«, sagte er, um Fassung bemüht. Er ließ Luna nicht aus den Augen und taumelte rückwärts zur Tür. Suchend tastete er nach dem Griff, riss die Tür auf und trat hinaus. Pierre hörte, wie einer der Männer den Ritter fragte, was geschehen sei. D’Aubrac ging auf die Frage nicht ein, sondern befahl ihnen, unverzüglich zu Bett zu gehen. Nach kurzer Zeit war es still im Hause. Sogar der Wirt schien längst zu schlafen.
    »Du bist zu weit gegangen«, sagte Amicus nach einer Weile.
    »Ich habe getan, was getan werden musste«, erwiderte Luna tonlos. Sie nahm einen tiefen Schluck Wein. »Nun bist du an der Reihe, lieber Amicus.«
    »Ich? Was habe ich damit zu tun?«
    »Maurice braucht heute Nacht deinen Schutz.«
    Amicus fasste sich an die Stirn. »Du nimmst doch nicht allen Ernstes an, ich würde dieser törichten Geschichte Glauben schenken. Nein, ohne mich, mein Kind. Ich geh zu Bett, und dort bleibe ich, bis der Hahn kräht.«
    »Dann werden wir alle sterben«, sagte Luna.
    Hilfe suchend blickte Amicus zu Pierre. »Sag doch was, Pierre! Glaubst du das alles?«
    »Ja«, sagte Pierre. Die vergangene Stunde hatte ihn davon überzeugt, dass Luna übermenschliche, ja göttliche Fähigkeiten besaß. Der Schrecken in d’Aubracs Augen und dessen panische Reaktion sprachen für Lunas Gabe. Er, Pierre, brauchte keine weiteren Beweise. »Ja, ich glaube ihr«, bestätigte er erneut. »Und du solltest auch nicht zweifeln. Du darfst nicht zweifeln!«
    »Verliebter Tor«, flüsterte Amicus.
    Die Augen fest geschlossen, sagte Luna: »Tu es für Eve, lieber Amicus. Erinnere dich, was du ihr auf dem Totenbett versprochen hast.«
    Amicus versteinerte. »Woher weißt du das?«, fragte er. Als Luna nicht antwortete, rannte er zu ihr und fasste die schlanke junge Frau an den Schultern. »Rede endlich!«, schrie er ihr ins Gesicht. »Sag mir, woher du Eve kennst! Sag es mir!«
    Luna schwieg immer noch. Pierre ging langsam auf Amicus zu. »Amicus«, sagte er in beschwichtigendem Ton. »Lass sie, bitte.«
    Amicus’ Gesicht war rot vor Zorn. Er schien Pierre nicht zu beachten. Die Zähne fest zusammengebissen, die Augen blutunterlaufen, starrte er Luna an. Sie erwiderte seinen Blick, ohne zu zucken. Unendliche Güte und Verständnis sprachen aus ihren blauen Augen. Es war, als hätte sich alle Liebe, alle Huld, alle Zuneigung und alles Wohlwollen der Welt darin gesammelt. Da lockerte Amicus seinen Griff. Er fluchte und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    Lächelnd strich sie ihm über den Kopf. Amicus sah zu ihr auf wie ein Knabe, der seine Mutter fragend musterte, ob sie nun böse auf ihn war oder nicht. »Was soll ich tun?«, fragte er.
    »Du und Pierre«, sagte Luna, »ihr nehmt die Kammer gegenüber der von Maurice.«
    »Woher wissen wir, welche das ist?«, fragte Pierre.
    »Ich zeige sie euch«, antwortete Luna. »Legt euch zu Bett –
aber schlaft nicht ein. Hört ihr? Ihr dürft auf keinen Fall einschlafen. Sonst ist Maurice

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