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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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Mit Raphaels Hilfe bettete er Luna darauf. »Wir müssen weiter, wenn wir ihr Leben retten wollen«, sagte Amicus.
    Pierre kam aus dem Wald zurück. Er hielt Blumen in der Hand, die er Luna in die Hand drückte. Zärtlich strich er über ihre Wangen. Dann stieg er auf sein Pferd.
    Amicus griff nach dem Sattel auf Lunas Pferd. »Brechen wir auf«, sagte er und zog sich hoch.

    Sie ritten einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, ohne zu schlafen. Die Mahlzeiten nahmen sie auf dem Rücken ihrer Pferde ein. Hin und wieder hielten sie an, damit Jeanne sich um Luna kümmern konnte, ihr etwas Wasser gab und die Stirn kühlte. Meistens dämmerte das Mädchen vor sich hin. Sie hielt die Augen geschlossen und flüsterte unverständliche Formeln. Dann wiederum schreckte sie hoch und schrie, als würde der Leibhaftige sie foltern.
    »Wir müssen einen Medicus finden«, sagte Jeanne, die neben Raphael ritt. »Ich weiß nicht, wie lange sie noch gegen die Pest anzukämpfen vermag.«
    Raphael hielt die Karte in der Hand. »Die nächste Stadt ist Lunel. Wir müssten sie sehen können, sobald wir auf jenen Hügeln sind.« Er zeigte auf eine leuchtend grüne Hügelgruppe vor ihnen.
    Auf den Feldern, an denen sie vorbeiritten, stand der Weizen goldgelb in der warmen Sonne. Es roch nach Kräutern, Wildblumen und Gras. Bienen und Hummeln surrten emsig umher. Die Bauern bestellten ihre Felder und ihre Kinder liefen lachend durch die Ähren. Welch schöner Tag auf Gottes Erde, der jedem Menschen gefallen sollte. Raphael seufzte. War dies das Ende? Er wollte es nicht glauben. Er spürte, dass seine Mission längst zu Lunas Mission geworden war. Ein Geheimnis umgab dieses Kind, das unmittelbar mit seinem Schicksal verwoben war. Sollte sie sterben, so war auch seine Prüfung vorüber. In diesem Fall hatte er gefehlt. Das war gewiss. Aber würde der Herr ihn prüfen, um ihn dann durch die Pest scheitern zu lassen? Nein, das konnte nicht sein. Er brauchte Luna, und Luna brauchte ihn. Luna würde leben. Sie musste leben!
    Pierres Stimme riss Raphael abrupt aus seinen Gedanken: »Lunel! Dort vorn ist Lunel!«
    Die Stadt lag in einem weiten Tal. Von hier oben waren unzählige verwinkelte Gassen und ein großer Marktplatz zu erkennen. Der weiße Kalkstein der Häuser schimmerte in der Sonne.
    Als sie näher ritten, erkannten sie, dass nur wenige Wachen auf den Türmen und Stadtmauern standen. Hinter den starken Mauern bot sich das gleiche Bild wie in so vielen anderen Städten: Die Menschen flohen in Scharen. Die wenigen, die nicht fliehen konnten oder wollten, waren von der Pest gezeichnet. An einer Hauswand, es mochte ein alter Stall sein, saßen mehrere Bettler, die um eine tote Katze stritten.
    »Heda!«, rief Amicus ihnen zu. »Wo finden wir einen Medicus?«
    Keine Antwort. Nicht einmal ein kurzer Blick.
    Amicus stieg von Lunas Pferd und ging zu den Streitenden.
    Einer von ihnen sah auf. »Was willst du?«, fragte er. Sein Blick war wirr, die Haut blutverschmiert, die Zähne waren nur noch schwarze Stumpen.
    »Einen Arzt!«, polterte Amicus. »Wo gibt es in dieser verfluchten Stadt einen Medicus?«
    »Medicus?« Der Mann kicherte. »Tot«, sagte er. »Sie sind alle tot. So wie auch du bald tot bist.«
    Fluchend ging Amicus zurück zu den Freunden. »Gehen wir. Die sind alle verrückt hier.« Er packte die Zügel von Lunas Pferd. »Irgendwo in dieser Stadt muss es einen Arzt geben.«
    Weiter gingen sie durch die trockene Sommerhitze, vorbei an Schmieden, Scheunen und Werkstätten, vorbei an Kirchen, Kapellen und Friedhöfen. Gelangten sie an die Stadtmauern, machten sie kehrt und versuchten es in einer anderen Gasse.
    »Durst«, sagte Pierre irgendwann. Sein Kopf sank nach unten.
    »Machen wir Rast«, sagte Raphael zu Amicus.
    Der schüttelte den Kopf. »Nein! Zuerst finden wir Hilfe für das Kind.«
    Er führte sie in eine schmale, unscheinbare Gasse, die steil anstieg und noch enger zu werden schien. Schnaufend gingen sie weiter. Plötzlich blieb Amicus wie vom Donner gerührt stehen.
    »Seht!« Er hob einen Arm und zeigte auf ein kleines Schild, das über einer Tür baumelte.
    Raphael stieg ab. Erschöpft ging er auf das Haus zu. Es war ein schönes Fachwerkhaus mit einem reich verzierten Giebel. Die Schrägen waren mit Krabben besetzt, die Spitze war mit einer Kreuzblume bekrönt. Statuen und Maßwerk schmückten das Giebelfeld. Große Fenster und zwei efeuberankte Erker rundeten das Bild ab. Raphael las, was auf dem Schild stand: »Georges

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