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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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seid, der uns alle auf den Scheiterhaufen bringt? Ich meine, es wäre doch möglich, dass man Euch zu Recht verfolgt. Dass Ihr ein Abtrünniger und Sektierer seid. Dass Ihr gar mit dem Teufel selbst einen Pakt geschlossen habt.«
    Raphael sah, wie alle ihn anstarrten. Er fühlte unbändigen Zorn in sich hochkriechen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er wollte diesem aufgeblasenen Tunichtgut sagen, wie es war, wenn unschuldige Menschen gequält, gefoltert und vor dem blutrünstigen Pöbel auf den Scheiterhaufen gebracht wurden. Wie ihr entsetzliches Wehgeschrei klang, wenn die Flammen an ihnen fraßen. Wie sie zappelten und flehten. Wie der Brand und der höhnende Spott des Gesindels jeden Schrei und jede Bitte um Barmherzigkeit erstickten. Bis der Herr ihnen endlich Erlösung schenkte. Und jetzt stand dieser Hüne vor ihm. Ein tapferer Mann, der das Herz am rechten Fleck trug. Ein Mann, den er seinen Freund nannte, dem er sein Leben verdankte. Ein Mann, den er für christlicher hielt als so manchen Kirchenfürsten. Ausgerechnet dieser Mann beleidigte ihn, wie er nie zuvor beleidigt worden war. Raphael war fassungslos, sodass er überhaupt nichts mehr sagen konnte. Er starrte Amicus einfach nur an.
    Der hatte offenbar mehr erwartet. Er wandte sich um und entfernte sich aus dem Lichtschein des Feuers, bis nur noch seine Silhouette zu sehen war.
    Jeanne, die noch immer neben Raphael saß, schaute zu Boden. Plötzlich begann sie zu sprechen, langsam und deutlich: »Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihrer.«
    Eine Zeit lang geschah nichts. Pierre schaute in die Richtung, in der Nîmes lag. Raphael blickte noch immer wie benommen zu Boden. Da bewegte sich die Silhouette. Erst langsam, dann immer schneller. Amicus lief auf Raphael zu, warf sich vor ihm zu Boden und sagte mit Tränen in den Augen: »Vergebt mir, Bruder. Bitte, vergebt mir. Ich bin ein Narr.«
    Raphael schluckte. Seine Wut verflog. Sanft legte er seine Hand auf Amicus’ Kopf. »Es gibt nichts, das ich Euch zu vergeben habe. Es wart nicht Ihr, der gesprochen hat, sondern das Leid. Es waren die Qual und die Liebe. Es waren der Kummer und die Einsamkeit. Es waren der Gram und der Schmerz. Es war die Bürde des Lebens. Euch, lieber Freund, habe ich nichts zu verzeihen. Allzeit würde ich mein Leben für das Eure geben, so wie Ihr Euer Leben für das meine geben würdet. Wir stehen hier im Auftrag Gottes. Seinem Plan folgen wir. Euch und mich und Jeanne, Pierre und Luna, uns verbindet ein gesegnetes Band, das weder wir noch irgendjemand hier auf Erden zerschneiden kann. Das ist alles, was wir wissen. Das ist alles, was wir wissen müssen.«
    Langsam hob Amicus den Kopf. Aus tränennassen Augen schaute er Raphael an. Dann griff er nach Raphaels Hand und küsste sie. »Ich danke Euch, Bruder«, sagte er. »Ihr wisst nicht, wie sehr.«
    »Lasst uns einige Stunden ruhen«, sagte Jeanne in die Stille hinein. »Der Tag bricht bald an, und wir müssen bei Kräften sein.«
    Jeder suchte sich ein Plätzchen am Feuer.
    Kurz bevor er einschlief, spürte Raphael, wie Jeanne ihm bekräftigend über den Arm strich.
Im Würgegriff der Pest
    A ls die Strahlen der Sonne über den Bergkamm strichen, kehrte Luna zurück. Sie nahm die schweren Taschen von ihren Schultern und ließ sie in den Staub fallen. Lange stand sie da und betrachtete jeden ihrer tapferen Freunde. Pierre und Amicus schnarchten im Chor. Pierre hatte sich den Bauch von Amicus als Kopfkissen ausgesucht. Fast zärtlich hatte Amicus seinen Arm um die Schultern des jungen Mannes gelegt. Jeanne war ganz nah an Raphael gerückt. Sie wärmten sich gegenseitig. Luna setzte sich auf einen Felsen und wartete.
    Nach einer Weile schlug Raphael die Augen auf. Er wusste nicht, ob es ein Traum gewesen war, aus dem er hochschreckte, oder ein Geräusch. Er suchte die Umgebung ab und fand Luna einige Schritte entfernt. Sie lächelte ihn liebevoll an.
    »Du bist zurück, mein Kind?«
    »Wie du siehst.« Sie lachte.
    Raphael war beruhigt. Luna war wohlbehalten wieder
zurückgekommen. »Sag, wie ist es dir in

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