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Hexengericht

Hexengericht

Titel: Hexengericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fandrey
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dass er Jeanne nicht sagen konnte, was er zu tun beabsichtigte, sobald ihre Reise beendet war und sie mit Gottes Hilfe noch am Leben waren. Aber er war zu dem Schluss gekommen, dass die Zeit noch nicht reif war, um den Freunden seine Entscheidung mitzuteilen.
    Die Tür ging leise auf und Jeanne kam wieder herein. Sie lächelte, als sie die Tür vorsichtig ins Schloss drückte.
    »Was ist geschehen?«
    »Ich habe an der Tür gelauscht«, sagte sie und schmunzelte wie ein Kind, das einen Apfel gestohlen hat.
    »Was habt Ihr gehört? Nun sprecht doch!«
    »Pierre hat Luna tausendfach und in den blumigsten Worten um Verzeihung gebeten«, sagte sie. »Es war herzzerreißend.«
    »Habt Ihr in Erfahrung gebracht, weshalb sie sich gestritten hatten?«
    »Nein«, sagte sie und sah ihn an, als hätte er etwas sehr Törichtes gesagt. »Ist das noch wichtig?«
    Raphael verstand die Welt nicht mehr. Er sprach Latein, Französisch, Hebräisch, Griechisch, Aramäisch und Arabisch. Aber die Weiber bedienten sich einer Sprache, die ein Mann nie verstehen würde. Er seufzte noch tiefer und klagender als je zuvor. »Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Madame«, sagte er und kroch unter die Decke.
    Jeanne löschte die Kerzen. Raphael hörte, wie sie ihre Kleider auszog und sich hinlegte. Er lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und dachte nach.
    Nach einer Weile drang aus Jeannes Richtung ein Rascheln zu ihm herüber. Erschrocken spürte er, dass sie seine Decke hochhob und sich neben ihn legte. Vorsichtig bettete sie ihren Kopf auf seine Brust. Zögernd, als könnte eine falsche Bewegung sie wieder verscheuchen, legte er einen Arm um ihre Schultern. Er liebkoste ihren Kopf mit seinen Fingern und spürte ihren Atem über seine Brust streichen. Er wollte etwas sagen, aber sie legte drei Finger auf seinen Mund. Dann hob sie den Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
    Noch lange, nachdem Jeanne eingeschlafen war, gab Raphael sich dem Orkan nie gekannter Gefühle hin. Und er spürte: Es gab etwas, das größer war als die Liebe zu Gott.
Ein gefahrvoller Marktbesuch
    E s folgten ruhige Tage in dem kleinen Haus am Rande von Montpellier. Jeden Tag nach dem Mittagsmahl entschuldigte sich Juda bei den anderen, füllte eine Schüssel mit den von Jeanne gezauberten Leckerbissen und stapfte hinauf zu Luna. Dort blieb er dann so manche Stunde. Am dritten Tage, nachdem Luna erwacht war, trieb die Neugier Raphael die Stufen hoch. Die Tür zur Kammer war nur angelehnt. Pierre lag zu dieser Zeit meist im Garten bei Amicus.
    Als er durch den Spalt hindurchschaute, sah er Luna im Schneidersitz auf dem Bett hocken. Davor saß Juda auf dem Schemel. Die leere Schüssel lag daneben auf dem Boden. Nichts Ungewöhnliches also. Wenn da nicht Gelächter zu ihm dringen würde. Er versuchte zu hören, was die beiden schwatzten, vernahm aber nur unverständliches Kauderwelsch. Hin und wieder schnappte er seinen Namen oder die der Freunde aus Lunas Mund auf. Juda antwortete in abgehackten Sätzen und schien dabei irgendwelche Possen zu reißen. Dann bogen sich beide vor Lachen. Raphael schlich wieder nach unten und berichtete Jeanne davon, die nur mit den Achseln zuckte. Raphael aber blieb argwöhnisch. Es war ein weiterer Stein des geheimnisvollen Mosaiks, in dem sich Judas Leben verbarg. Erst am Tage ihrer Abreise sollte es vollständig sein.
    Am achten Tag rief Juda Raphael und Amicus zu sich.
    »Unsere Vorräte gehen zur Neige«, sagte der Medicus. »Ihr zwei müsst auf den Markt gehen, um sie wieder aufzufüllen.«
    Raphael war nicht wohl bei dem Gedanken, sich unter das Volk zu mischen. Hinter jeder Ecke, unter jeder Kapuze konnte Imbert stecken.
    »Ich gehe allein«, bot Amicus an. »Mein Gesicht kennt der Teufel nicht.«
    »Nein«, sagte Juda entschieden. »Es sind zu viele Dinge, die wir benötigen. Auch für einen Mann wie Euch, bester Amicus.«
    »Ich nehme Pferde mit«, wandte Amicus ein.
    »Die benötigt Ihr ohnehin«, sagte Juda. »Aber wie wollt Ihr vier Pferde mit nur zwei Händen führen?«
    »Gut, ich gehe mit«, entschied Raphael schließlich.
    »Nein, bleibt hier, Bruder«, sagte Amicus. »Ich schaffe es schon allein.«
    Doch Raphael blieb bei seinem Entschluss. Juda hielt es offensichtlich für sehr wichtig, dass er Amicus begleitete. Es war an der Zeit, dem Mosaik ein weiteres Steinchen hinzuzufügen. »Gehen wir«, sagte er und griff nach Gugel und Geldkatze.
    Gefolgt von Amicus, dem Juda noch flink ein Pergament

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