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Hexengewitter

Hexengewitter

Titel: Hexengewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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wie er sich an dem Tau hochzuziehen begann, und fürchtete mehr als einmal, daß er den Halt verlieren und in die schäumenden Fluten stürzen würde.
    Eine dämonische Kraft aber schien ihm nun innezuwohnen, ließ ihn die Muskeln anspannen und Klimmzug um Klimmzug machen, bis er von Gudun in Empfang genommen und über die Reling gezogen wurde.
    Etwas lähmte Ranky, ließ sie zögern, ihm zu folgen, als die Reihe nun an ihr war und nur noch Matta neben ihr stand, die dazu bestimmt war, das Boot zur Insel zurückzubringen, wo die restlichen zehn Inselweiber voller Ungeduld warteten. Die Vertraute mußte sie erst kräftig in die Rippen stoßen, bevor sie das Tau ergriff.
    Noch während sie sich daran hochzog und die drei Boote sich auf den Weg machten, hörte sie die Entsetzensschreie vom Deck des Schiffes. Das ließ den unerklärlichen Bann endgültig von ihr abfallen. Sie verdoppelte ihre Bemühungen und schwang sich schließlich als letzte über die Reling.
    Was sie sah, war dazu angetan, ihr den Verstand zu rauben. Schreckliches hatte ihr das Knochenorakel geweissagt, doch hatte Ranky vergeblich versucht zu ergründen, was es sei, das über die Amazonen an Bord des Unglücksschiffs gekommen war.
    Nun starrte sie entsetzt auf die Kriegerinnen, die leblos oder mit gräßlichen Wunden auf den feuchten Planken lagen. Einige hielten sich noch im Tode umklammert, die Schwerter in den Leib der anderen versenkt. Überall waren noch die Spuren des Kampfes zu sehen, der hier getobt hatte. Kein Laut außer dem Rauschen des Meeres war zu hören. Jene, die noch eben geschrien hatten, waren jäh verstummt.
    Und Ranky sah auch dafür den Grund.
    Mythor lag zwischen den toten Amazonen auf dem Rücken, die Augen weit aufgerissen und völlig starr. Scida, Kalisse und der Beuteldrache knieten bei ihm, und Ranky suchte vergeblich nach einem Lebenszeichen des Mannes.
    »Er atmet nicht mehr«, hörte sie Kalisse entsetzt flüstern.

4.
    Nichts rettete die Südwind mehr.
    Josnett fluchte und tobte. Sie, die sich bis zu jenem Augenblick, in dem sie Scida und deren Begleiter hatte von Bord gehen lassen und wieder zur Flotte aufschloß, so beherrscht gezeigt hatte, wirkte auf erschreckende Weise verändert. Sie wußte, daß ihr Schiff zum Untergang verurteilt war, und wollte es doch nicht wahrhaben. Sie trieb die Kriegerinnen auf den Ruderbänken an, sich noch stärker in die Riemen zu legen, obwohl über die Hälfte von ihnen schon kaum mehr den Rücken beugen konnte. Sie hastete über das glitschige, von einer Eisschicht überzogene Deck zum Steuerruder oder suchte nach Taukel, der Hexe im lila Mantel. Ihr gab sie die Schuld am Verderben, und auch das wider besseres Wissen.
    Zwar hatte sich nun endgültig gezeigt, daß Taukel nicht mehr von ihrem Handwerk verstand als eine junge Novizin, doch gegen diesen Hexensturm vermochte nicht einmal eine Hexe im zwölften Grad viel auszurichten. Es waren mächtigere Gewalten, die über der Flotte zusammenschlugen.
    Taukel aber war für die Schiffsführerin der Sündenbock überhaupt. Sie hatte die Südwind in die von Horsik-Amazonen vorbereitete Falle führen wollen. Sie war ihr von Lacthy zugeteilt worden, der Befehlshaberin des aus Horsik- und Narein-Amazonen gestellten Flottenteils. In ihrem blinden Zorn sah Josnett es so, daß Lacthy von Anfang an hatte sichergehen wollen, daß ihr die Südwind mit Scida an Bord niemals gefährlich werden konnte. Taukel und Lacthy war natürlich nichts zu beweisen, dazu war ihr böses Spiel viel zu gut eingefädelt. Josnett wußte auch so, was sie von beiden zu halten hatte.
    Sie fand Taukel nicht, fühlte sich von ihr im Stich gelassen und wünschte sich, daß die Unselige von den über das Deck schlagenden Wassermassen ins Meer gespült worden sei.
    »Rudert!« schrie sie vom Heckaufbau aus. Zwei Masten waren im Sturm abgeknickt wie Grashalme. Die Segel hingen zerrissen von ihren Resten herunter. Kriegerinnen lagen erschlagen auf den vereisten Planken, bis die nächste Woge sie fortschwemmte. Josnett brüllte, bis sie endlich einsah, daß niemand sie hören konnte.
    Es war, als täten die Wasser sich auf, um die gesamte Flotte der Zaem zu verschlingen. Dann wieder wurde die Südwind in die Höhe gehoben, als ritte sie auf dem Rücken eines mächtigen Seeungeheuers dahin, hinein in die dichten Wolken, hin zu dem furchtbaren roten Auge am Himmel.
    Wieder prasselte der Hagel hernieder und überzog binnen weniger Herzschläge alles an Bord mit einer dicken

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