Hexengewitter
befahl der Hexe, die Seejungfrau in das magische Feld zu bringen, an das sie selbst noch nicht recht glauben mochte.
Doch dann sah sie es selbst.
Die Seejungfrau passierte die unsichtbare Grenze, und von einem Augenblick auf den anderen ragten vor ihr gewaltige Klippen aus dem Wasser, so nahe, daß das Schiff kaum noch Gelegenheit hatte, ihnen auszuweichen. Schon war Lacthy so von dem magischen Blendwerk gefangen, daß sie begann, den Kriegerinnen Befehle zum wenden zuzurufen, als der Spuk so schnell wieder verschwand, wie er gekommen war.
»Wie ich vermutete«, sagte Suvada so gelassen, als hörte sie nicht die Verzweiflungsschreie der scheinbar in Seenot geratenen Amazonen auf den anderen Schiffen. Und es war fast die gesamte Horsik-Narein-Flotte, die sich innerhalb des Zauberfelds befand. »Wir befinden uns wieder jenseits der Grenze. Du, Lacthy, hast an dir selbst erfahren, wie täuschend echt das Blendwerk ist. Sieh zum Himmel. Selbst unsere Luftschiffe fliegen völlig sinnlos durcheinander. Ihnen mögen Hindernisse anderer Art vorgetäuscht werden, Ungeheuer vielleicht, fliegende Drachen und Luftgeister. Aber sie sind für sie ebenso wirklich vorhanden wie die Klippen für die Mannschaften der Seeschiffe.«
Lacthy schlug mit der geballten Hand auf die Reling »Aber hören werden sie uns!« knurrte sie. »Wir werden ihnen durch die Sprachrohre zurufen, was mit ihnen geschieht, und sie aus diesem verdammten Zauberfeld herausholen!«
Suvada runzelte zweifelnd die Stirn, sagte jedoch nichts mehr. Sie kannte Lacthy gut genug, um zu wissen, daß diese ihre bitteren Erfahrungen erst selbst sammeln mußte, ehe sie klug wurde.
So sah sie der Befehlshaberin zu, wie sie die Amazonen mit den langen, trichterförmigen Sprachrohren nach Backbord schickte, und hörte die weit über das Wasser tragenden Rufe der Kriegerinnen.
Niemand antwortete. Kein einziges Schiff drehte bei.
Wutschnaubend kehrte Lacthy zurück, ohne ahnen zu können, daß fast am anderen Ende der Flotte eine Flugführerin namens Hasbol die gleiche Enttäuschung erlebte wie sie.
»Sie hören nicht!« donnerte Lacthy. »Wir müßten sie einzeln dort herausholen!« Sie schnitt eine Grimasse. »Aber auch das können wir nicht, ohne selbst den Verstand zu verlieren!«
Taukel deutete nach Steuerbord.
»Wir sind nicht das einzige Schiff jenseits der Grenze, Lacthy. Den anderen können wir nicht helfen, diese aber sollten wir um uns sammeln und mit ihnen weiter zum Hexenstern vorstoßen, solange die Gegnerinnen ihre Kräfte darauf verwenden, diesen Flottenteil aufzuhalten.«
»Wir sollen die Irregeleiteten im Stich lassen?« wunderte sich Suvada.
Taukel machte eine wegwerfende Geste.
»Die Zaem wird ihnen helfen, aber darauf sollten wir nicht warten. Eine günstigere Gelegenheit, ungehindert ans Ziel zu gelangen, gibt es nicht.« Sie lächelte dünn. »Außerdem wären wir so die ersten, die den Hexenstern sehen.«
Suvada schüttelte schweigend den Kopf. Lacthy aber nickte.
»Wir werden am Hexenstern auf sie warten! Hole die Winde herbei, Suvada! Laß sie unsere Segel füllen, daß wir einem Pfeil gleich die Wellen durchschneiden.« Sie drehte sich zu den verunsichert wartenden Kriegerinnen um. »Für die Zaem und für Vanga!«
»Für Zaem!« erscholl es aus hundert Kehlen. »Für Vanga!«
Suvada blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Kurz darauf hatte man sich auf den Schiffen, die nicht im Zauberfeld gefangen waren, untereinander verständigt, und der kleine Verband nahm Fahrt auf.
Und so kam es, daß Lacthy nicht mehr sah, wie die zurückgelassenen Schiffe zur Ruhe kamen, wie eines nach dem anderen den gleichen Kurs einschlug, bis sie sich weiter südlich mit anderen Flottenteilen vereinten.
Bald war es mehr als die Hälfte von Zaems Streitmacht, die im Bann des Zauberspuks dem einzig sicheren Weg zu folgen glaubte, der zwischen den vermeintlichen Hindernissen hindurchführte. Die Schiffsführerinnen, ja selbst die Bordhexen wähnten sich Herrinnen ihrer Sinne. So vollkommen war die Täuschung, daß keine einzige Verdacht schöpfte, als die von Zahda und ihren Helferinnen vor ihre Augen gezauberten Klippen und Riffe eine breite Schneise für sie offenließen, die sie genau dorthin führte, wohin sie ja ohnehin wollten: nach Süden.
Jedoch nicht zum Hexenstern.
Als die Dienerinnen der Zaem ihren Irrtum erkannten, war es längst zu spät zur Umkehr.
7.
Gerrek starrte auf sein Schwert, dann auf die Hände, die es hielten,
Weitere Kostenlose Bücher