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Hexengewitter

Hexengewitter

Titel: Hexengewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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kein Wunder geschah, würde er ihn nie wieder irgend etwas fragen können.
*
    »Ihr müßt euch ablenken!« rief Ranky den Amazonen zu. »Wir wissen jetzt, wie es ist, wenn man seine Sinne verliert, ohne daß man es merkt! Und es wird schon wieder stärker! Kämpft gegen alles, meinetwegen gegen die Winde oder das Schiff, aber nicht gegen euch selbst!«
    Sie hatten den Vormast gefällt und aus ihm fünf hölzerne Rollen geschlagen, die nun zwischen dem Stein und der Schiffswand lagen. Auf der anderen Seite des Brockens standen je fünf Frauen an einem der beiden gespannten, oben um Vorsprünge am Stein gelegten Seile und warteten auf Rankys Kommando. So überlegt war das Inselweib zu Werke gegangen, daß sich selbst Burras Amazonen ihm ohne Murren unterordneten.
    »Seid ihr soweit? Dann zieht… jetzt!«
    Ranky selbst und einige ihrer Stammesgefährtinnen knieten an der ersten Rolle und warteten gespannt. Schon merkte Ranky, wie die Macht aus dem Stein ihr Denken zu lähmen suchte. Bislang hatte sie sich und die anderen ständig beschäftigt halten können. Jetzt aber…
    »Zieht!« schrie sie. »Zieht fester! Matta, Lotta, Hensy und Morl, geht zu ihnen und helft!«
    Die Inselweiber gehorchten. Ranky sah die verzerrten Gesichter der Amazonen, das Spiel ihrer Muskeln, wie sie sich nach hinten warfen und die Zähne zusammenbissen.
    Dann endlich, Ranky glaubte schon fast nicht mehr an den Erfolg, hob sich der Stein an der dem Leck zugewandten Seite. Knirschend bewegte er sich, und als zwischen der Vorderkante und dem Boden zwei, drei Handbreit Luft lagen, schob Ranky gemeinsam mit einer Stammesgefährtin die Rolle unter.
    Aufatmend wischte sie sich den Schweiß aus der Stirn, überzeugte sich davon, daß die anderen Rollen richtig lagen, und schrie:
    »Ihr könnt die Seile loslassen! Und jetzt… schiebt! Stoßt ihn auf die Rollen! Pest und Mannsvolk! Wir schaffen es!«
    Sie sprang auf, rannte zu den anderen und nahm sich eines der Seile. Das andere warf sie Kasch zu. Sie lösten sie, liefen zur Schiffswand zurück und warfen die Schlingen, bis sie sich auf der anderen Seite des Brockens verankerten, von wo Amazonen und Inselweiber nun verzweifelt versuchten, ihn mit Hilfe von weiteren langen Stücken aus dem Segelmast, die sie wie Rammböcke benutzten, zu bewegen.
    Ranky und Kasch, unterstützt von jeweils drei Inselweibern, zogen nach Kräften. Der Schweiß lief ihnen beißend in die Augen und ließ die Felle an ihren Körpern kleben. Und sie kämpften, kämpften um ihre Besinnung, gegen das, was nun mit aller Gewalt gegen sie schlug.
    Es war geradeso, als spürte der Stein, was mit ihm geschehen sollte, als handelte es sich bei ihm um ein lebendes Wesen, das sich mit letzter Kraft gegen den Untergang wehrte.
    »Kämpft!« rief Ranky heiser. »Kämpft gegen den Stein!«
    Und wahrhaftig, die Frauen und Gerrek verdoppelten ihre Anstrengungen. Sie alle sahen nun nur noch diesen einen, fürchterlichen Gegner, und schaudernd dachte Ranky daran, was aus ihnen geworden wäre, hätten sie diesen Gegner nicht gehabt, gegen den sich nun die ganze Besessenheit richtete, alle freigelegte Kraft, die sonst…
    Sie wollte nicht weiterdenken, zog am Seil und hätte fast vor Erleichterung laut aufgeschrien, als sich der Brocken endlich bewegte. Es war nur ein Stück, doch alle sahen und fühlten es, und sie gaben alles, um das Werk zu vollenden.
    Knirschend schob sich der Stein auf die Rollen, und plötzlich rutschte er über sie hinweg, als wäre er von einem Augenblick auf den anderen gewichtslos geworden. Noch einmal spürten die Frauen die furchtbare Macht in ihren Schädeln, noch einmal legten sie all ihre Kraft in den letzten Ruck. Dann neigten sich die Planken unter ihren Füßen. Die Sturmbrecher legte sich unter dem Gewicht des Brockens auf die Seite, und es war, als stoße das Schiff selbst die schreckliche Fracht von sich, als speie es sie aus in die Tiefen des Meeres, wo sie für alle Zeiten ruhen und keinen Schaden mehr anrichten sollte.
    Der Stein riß das von den Inselweibern geschlagene Leck noch weiter auf, als er unter furchtbarem Getöse die Wand durchschlug und einen Herzschlag später im Meer versank.
    Im gleichen Augenblick wich der unerträgliche Druck in den Schädeln der Frauen. Sie sahen sich an und konnten nicht fassen, daß es wahrhaftig vollbracht sein sollte, daß der Alptraum ein Ende hatte.
    Dann war auch dieser Bann gebrochen. Inselweiber und Amazonen fielen sich um den Hals, tanzten vor Freude und

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