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Hexengewitter

Hexengewitter

Titel: Hexengewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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liefen zum Leck, um auf das Wasser hinunterzustarren, an dessen Oberfläche es noch schäumte und spritzte.
    Selbst die hartgesottenen Inselweiber schämten sich ihrer Tränen nicht. Gudun, Gorma und Tertish standen beieinander und musterten mit glänzenden Augen Ranky, die nun ausgelassen lachte und Gerrek mit der flachen Hand einen Schlag auf den Rücken versetzte.
    »Nun mach kein solches Gesicht, Beuteldrache!« rief sie. »Freue dich mit uns. Schließlich waren wir beide es, die einen klaren Kopf behielten, oder nicht?«
    »Ja«, jammerte Gerrek. »Aber das wird mir hinterher ohnehin niemand mehr glauben.«
    »Wenn du mich damit meinst«, rief Kalisse, »dann ist alles vergessen und vergeben.«
    Scida fand als erste in die Wirklichkeit zurück.
    »Mythor!« flüsterte sie, löste sich aus der Traube der anderen und lief mit großen Schritten zur Treppe.
    Sie fand den Gorganer, wie er sich benommen aufrichtete.
*
    Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß.
    Mythor war aus seiner todesähnlichen Starre erwacht und versicherte Scida vergeblich, daß er wieder wohlauf sei. Sie folgte ihm, wohin er auch ging, bemutterte ihn und stellte Fragen, die ihn tief in seiner Seele berührten. Immer wieder wollte sie wissen, ob er die Gefahr vorausgeahnt hatte - ob er schon einmal einem solchen Stein ausgeliefert gewesen sei.
    Das traf allerdings zu. Nur zu gut erinnerte er sich an das Orakel von Theran und dessen eindringliche Mahnung: »Hüte dich vor Stein!« Nie würde er vergessen, wie Oburus, einer von Drudins Todesreitern, ihm ein Stück Himmelsstein entgegengehalten hatte und welche Qualen er damals empfunden hatte. Er war bereits gelähmt gewesen von der Ausstrahlung des viel größeren Brockens in jener Höhle, in die er von dessen Dienern gelockt worden war.
    Damals wie heute war er vollkommen hilflos gewesen. Nur der Stumme Große Vierfaust hatte ihn vor dem so gut wie sicheren Ende bewahrt, indem er geistesgegenwärtig den letzten jener Zapfen nach dem Meteor schleuderte, die Mythor vom Baum des Lebens mitgenommen hatte.
    Daran dachte er nun wieder, als er über die Reling gebeugt stand und finster auf das dunkle Meer blickte. Wie in Salamos mußte er sich fragen, was es war, das ihn dem Himmelsstein gegenüber so hilflos machte. Und wie damals fand er auch nun keine Antwort darauf.
    Doch warum hatte die Sturmbrecher diese schreckliche Fracht an Bord genommen?
    Er mußte die Frage laut gestellt haben, ohne daß er sich dessen bewußt gewesen wäre, denn Scida deutete zum Heckaufbau, vor dem Burras Amazonen mit einigen der Kriegerinnen zusammenstanden, die wie Mythor zu sich selbst zurückgefunden hatten, nachdem der Stein in den Tiefen des Meeres versunken war. Nataika war bei ihnen, während die anderen den Inselweibern dabei halfen, die Toten der See zu übergeben. Nur Ranky stand auf dem Aufbau und wartete darauf, daß man ihr sagte, die Winde herbeizuholen, die das Schiff zur Flotte bringen sollten.
    Das würde nie mehr geschehen, und Mythor wußte es. Die Sturmbrecher würde nie mehr schnell wie ein Pfeil die Meere befahren. Zu groß waren die Beschädigungen, die die Besessenen bereits angerichtet hatten. Das ganze Ausmaß der Schäden war erst offenbar geworden, nachdem der Bann von den Kriegerinnen abgefallen war.
    »Nataika«, sagte Scida, »war für kurze Zeit bei klarem Verstand, nachdem sie von Gudun und Gorma wieder gefesselt worden war. Ich kniete bei dir, konnte aber hören, was sie den beiden und Tertish zu sagen hatte.«
    Mythor blickte sie mit gerunzelter Stirn an.
    »Danach erhielt sie von der Zaem den Auftrag, im Hexenschlag eine Fracht an Bord zu nehmen und zum Frostpalast zu schaffen.«
    Knapp berichtete die Amazone weiter, was sie hatte mithören können. Mythor unterbrach sie nicht, doch als sie geendet hatte, türmten sich noch mehr Fragen vor ihm auf.
    Konnte die Zaem wissen, welchen verheerenden Einfluß dieser Himmelsstein auf ihn hatte?
    Er schwieg sich Scida gegenüber weiter aus und bemühte sich, die finsteren Gedanken zu verscheuchen. Jetzt war nicht die Zeit dazu, sich ihnen hinzugeben. Die Sturmbrecher konnte ihn nicht zum Hexenstern bringen. Aber er mußte hin, mußte der Flotte zuvorkommen!
    Tertish, Gorma und Nataika kamen auf ihn zu.
    »Und jetzt?« fragten sie nur. Als ob ausgerechnet er ihnen die Antwort darauf geben könnte! Die Blicke, die sie Scida zuwarfen, machten deutlich, daß sie ihr die Schuld an ihrer ausweglosen Lage gaben. Mythor konnte es ihnen nicht verübeln.

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